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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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wird wie ich! Ich habe es vor vielen Jahren einmal versucht ...«
    »Du meinst, die Mauer kann den Geist verwirren?«
    »Sie kann auch töten und verstümmeln!« erwiderte Lello hastig. »Sie kann ein Feuer in den Adern brennen lassen ...«
    » ... und Erbschäden hervorrufen!« ergänzte Galus leise. Er strich sich über seinen unförmigen Kopf.
    Corvay spürte instinktiv, daß auch der Arzt mehr wußte, als er bisher verraten hatte.
    »Was soll das? fragte Corvay. Galus und Lello hatten länger im nördlichen Teil des Sakriversums gelebt als er. Dort gab es kein idyllisches Dorf - nur Höhlen, in denen Bankerts geboren wurden, und in die sie sich nach einem Leben unter den Weltlichen zum Sterben zurückzogen.
    Bankerts waren nie Bauern gewesen oder Handwerker wie die Schander. Sie hatten sich von erlegten Tieren ernährt und dem, was sie auf mageren, oftmals verwilderten Feldern, die nur selten einen Sonnenstrahl sahen, gefunden hatten. Die Nordseite des Sakriversums war ihnen nie eine Heimat gewesen - bestenfalls Zuflucht.
    »Meint ihr, die Schander haben die Teufelsmauer als einen vergifteten Wall zwischen den beiden Seiten des Sakriversums gebaut?« Corvay war nachdenklich geworden.
    »Die Teufelsmauer war von Anfang an da«, sagte Galus kopfschüttelnd. »Sie gehört zum Bauplan der Kathedrale. Natürlich gibt es Durchlässe, sonst wäre es uns nicht gelungen, kurz vor der Katastrophe auf die andere Seite zu kommen. Aber normalerweise war der Fluch stärker als alle Versuche, die beiden Welten miteinander zu verbinden!«
    »Zuviel Aberglaube!« schnaubte Corvay. »Ich bin eher der Meinung, daß diese Burschen dort die Zugänge zu ihrer Welt mit irgendwelchen Giften unpassierbar gemacht haben.«
    »Dann müßten sie es beim letztenmal vergessen haben«, sagte Galus. »Und das ist unwahrscheinlich bei Menschen, die sich seit Jahrhunderten an strenge Riten und Verhaltensweisen klammern!«
    »Wir sind doch aber durchgekommen, verdammt noch mal!«
    »Ich würde es nicht nochmals wagen!«
    Corvay sah den Arzt nachdenklich an. Er dachte an die Tage vor der Katastrophe zurück, wie er die Eingesammelten über den nördlichen Turm nach oben gebracht hatte, wie er den umständlichen Weg nach Norden gewählt hatte, ohne nur einmal daran zu denken, daß sie durch die Rosette auch gleich in den südlichen Teil des Sakriversums gekommen wären ...
    Diesmal kamen sie vom südlichen Turm. Wie selbstverständlich waren sie dem historischen Weg der Schander gefolgt, obwohl es auch eine beinahe identische, spiegelverkehrte Möglichkeit des Aufstiegs gegeben hätte!
    Nur das letzte Stück war anders. Abweichend von den überlieferten Plänen waren sie an der Außenseite der Kathedrale zur Rosette gelangt. Jetzt kletterten die Angehörigen beider Völker zur Mitte zwischen beiden Türmen. Nur wenige Meter nördlich befand sich der Eingang zur Bankert- Welt, doch kein Bankert war jemals auf den Gedanken gekommen, über den südlichen Turm in die Parallelwelt zu gelangen ...
    »Wir werden eine Brücke bauen!« sagte Llewellyn Corvay plötzlich. »Eine Brücke, die beide Eingänge an den Seiten des Rosettenfensters miteinander verbindet. Da es keine Weltlichen mehr gibt, brauchen wir nicht zu befürchten, daß die Konstruktion entdeckt wird.«
    »Wir könnten auch die Teufelsmauer soweit einreißen, daß eine ungefährliche Verbindung entsteht«, meinte Hector.
    »Nein, dafür kennen wir die statistischen Berechnungen zu wenig. Wir werden nur Raum brauchen für Arbeitslager, Baracken, Höhlen und Schlafkammern für die Schander , die tagsüber auf ihren ehemaligen Feldern arbeiten, und die wir nachts dort isolieren, wo wir selbst Jahrhunderte verbringen mußten!«
    Lello, der Narr, sah seinen König mit weitgeöffnetem Mund an. Er deutete auf eine Gruppe von erschöpften Schandern , die eben das Rosettenfenster erreichten.
    »Sie sollen dort leben, wo wir herkommen, und wir nehmen uns ihr Dorf?«
    Llewellyn Corvay zog die Mundwinkel herab.
    »Was glaubst du wohl, warum wir uns so lange mit ihnen abquälen!«
    Lello stieß einen irren, trillerartigen Schrei aus. Er begleitete ihn mit ein paar harten, kurzen Akkorden auf seiner Klampfe. Als einziger von Corvays Beratern hatte er nicht den ganzen Plan gekannt. Jetzt wußte er, daß Corvay der Größte war: ein Mann, der weit in die Zukunft dachte ...

14. KAPITEL
    Der Gott, der Goetz von Coburg schon einmal überleben ließ, war von neuem gnädig. Als Herr über Luft und Wasser, Feuer

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