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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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inzwischen die Muffen des Hartgummireifens gelöst und die Felge freigelegt. Er stieß das Seilende durch ein Loch in der Felge und knotete es fest.
    »Alles klar?« fragte er Ronco.
    »Alles klar!« sagte der Fänger und nickte.
    »Dann wollen wir mal sehen ...«
    Jan startete den Motor. Aufschreiend stürzten einige Schander zur Seite. Jan legte sich auf den Rücken vor die Gabel des Vorderrades. Mit den Füßen bediente er die Pedale und mit den Händen die Griffe am Lenker.
    Er gab mehrmals Gas, dann ließ er die Kupplung langsam einrasten. Die Hinterradfelge wickelte das Zugseil auf. Ronco am Fenster hob den Daumen. Er ließ die Hand oben, während Jan immer mehr Seil einholte.
    Zwischen den Türmen der Kathedrale schwankte der Sessel mit Pete und einem kleinen Jungen unter dem stetig aufwärts rollenden Vorderrad. Ronco gab Jan ein Zeichen. Das Hinterrad auf der festgekeilten Maschine bewegte sich langsamer. Und dann schwebte der Sessel millimetergenau bis zum Loch im Rosettenfenster.
    Einige Bankerts klatschten begeistert, während die Schander sich aus Furcht vor dem knatternden Teufelsding zurückhielten.
    Nach und nach holten die drei Männer alle ins Sakriversum, die das letzte, schwere Stück aus eigener Kraft nicht geschafft hatten ...
    Am Waldrand waren mittlerweile die ersten Wasserträger eingetroffen. Die nächsten brachten Schafe und Dörrgemüse mit. König Corvay hatte entschieden, daß sie diesen Tag noch am Waldhügel zubringen sollten. Daß er aber längst Patrick Murphy mit seinem Muli über Seitenwege ins Dorf geschickt hatte, war keinem aufgefallen.
    Patrick sollte heimlich eine Bestandsaufnahme machen. Obwohl die ersten Obstbäume bereits Früchte trugen und in den Gärten Gemüse heranwuchs, mußte das Dorf jetzt viel mehr Menschen ernähren als vorher. Da war es besser, wenn Corvay wußte, wieviel noch bis zur Erntezeit vorhanden war. Und da er außerdem nicht vorhatte, zu hungern, waren einige vorsorgliche Maßnahmen erforderlich, ehe alle ins Dorf einzogen ...
    Der zweite, der einen Sonderauftrag erhalten hatte, war Lello. Er war erst spät dazu gekommen, Corvay von seiner Begegnung am Rosettenfenster zu berichten. Corvays Berater hatten sich daraufhin einen Schander vorgenommen und ihm angedroht, daß seine gesamte Familie aus dem Sakriversum ausgeschlossen werden würde, wenn er nicht alles sagte, was er über Guntram und Agnes wußte.
    So erfuhren Corvay und seine Berater von Leas Mann Ulf, wie die Flüchtlinge hießen und wohin sie gehörten. Und sie erfuhren, daß sie die Kinder von Ekkehard und Uta waren, die vor zwölf Jahren das Sakriversum freiwillig verlassen wollten. Nur einen Punkt ließ Ulf unerwähnt. Er sagte nicht, daß seine Frau eigentlich auch eine Bankert war und daß sie einen Sohn mit Ekkehard gehabt hatte.
    Nach der Vernehmung schickte Corvay Lello in die Weinberge unterhalb der Teufelsmauer. Er war noch nicht wieder zurück, als es Nacht wurde.
    *
    Agnes hatte versucht, das Haus von Meister Lamprecht soweit in Ordnung zu bringen, daß wenigstens die gröbsten Spuren der Plünderer beseitigt waren. Die ganze Zeit wartete sie unruhig auf Guntrams Rückkehr.
    Nachdem sie den Schmutz zusammengefegt, Teller, Töpfe und Geschirr gereinigt und die Staubschicht überall abgewischt hatte, war sie in den Garten gegangen. Sie hatte umgestürzte Tröge aufgestellt und faulende Eier in die Sickergrube geworfen. Die frischen Eier hatte sie in die Küche gebracht. Alle anderen Ställe waren leer.
    Eine Weile hatte sie sich neben den Bienenkörben ausgeruht, dann war sie zum leise plätschernden Wassertrog hinter dem Haus gegangen und hatte sich gewaschen. Alle Wassertröge im Dorf wurden von den Zisternen gespeist, die auch den Bach versorgten. An stürmischen Tagen, wenn die Wetterluken geöffnet waren und der Wind an der Teufelsmauer oberhalb des Dorfes entlangbrauste, wurden die Windräder eingeschaltet, durch die das Wasser von den unteren Zisternen in die oberen gepumpt wurde. Verbrauchtes Wasser durfte immer nur abgelassen werden, wenn es draußen regnete ...
    Als sie sich abtrocknete, fiel ihr ein, daß der Bach frisches Wasser aus den oberen Zisternen geführt hatte. Gleichzeitig erinnerte sie sich daran, daß einige der Felder viel zu trocken ausgesehen hatten.
    Obwohl sie sich um Guntram sorgte, genoß sie die Stille im sonnendurchfluteten Sakriversum. Es war ihre erste Flucht gewesen. Sie wunderte sich, daß es bereits so warm wie im Sommer war. Wahrscheinlich hing

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