Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Gambeson, die wollene Unterkleidung, schon jetzt klamm auf der Haut. Rüstung und Helm hatte er sich von Raymond Fabre geliehen. Die Gegenstände waren von guter Qualität; auch der Rundschild zu seinen Füßen wirkte äußerst fest und widerstandsfähig. Doch mehr noch als auf Rüstung und Helm verließ er sich auf den Talisman, den er an der Innenseite des Schildes befestigt hatte: eine kleine Schriftrolle mit Sprüchen aus der Heiligen Schrift. Sie würde ihn vor Schwerthieben, Armbrustbolzen und all den anderen Gefahren einer Schlacht bewahren, besser als jedes Panzerhemd, davon war Jean überzeugt.
Das Aufgebot hatte nördlich der Stadt Aufstellung bezogen, bei den Fischteichen am Ufer der Mosel, denn hier befand sich der einzige Zugang zur Baustelle, der nicht durch die Stadt führte. Die Schwurbrüder gingen davon aus, dass de Guillory an dieser Stelle angreifen würde. Catherines und Carbonels Knechte hatten in aller Eile Gräben gezogen und Barrieren aus angespitzten Baumstämmen errichtet. Hinter den behelfsmäßigen Befestigungen verbargen sich die Verteidiger: die Schwurbrüder und ihre Bediensteten, fünfzehn Lohnkämpfer aus der Unterstadt sowie Jean Caboche und seine Schmiede. Sie alle trugen Rüstungen oder wenigstens nietenverstärkte Lederwämser, dazu Schilde, Schwerter, Spieße, Armbrüste.
Grimmig beobachtete Jean die schlammigen Felder und Wiesen jenseits der Straße. Er hatte schon an einigen Wirtshausraufereien teilgenommen, aber noch nie an einem Kampf auf Leben und Tod. Dies würde seine erste richtige Schlacht sein, bei der echte Waffen zum Einsatz kämen. Dennoch verspürte er keine Furcht, im Gegenteil: Er brannte darauf, de Guillory und seine Handlanger zum Teufel zu jagen. Dies lag ihm weitaus mehr als zähes Feilschen und langwieriges Geldzählen, und der Talisman würde ihn schon vor seinen Feinden beschützen.
»Wer kommt denn da?«, murmelte Charles Duval, woraufhin Jean sich umwandte. Durch den Regen näherte sich ihrem Verschlag eine etwa zehnköpfige Gruppe. Jean war nicht wenig überrascht, als er die Männer erkannte: Es waren Gaspard, Baudouin, Pérouse und Vanchelle, die jeweils einen oder zwei Knechte mitgebracht hatten. Alle trugen sie Waffen und Rüstungen, was bei dem langen und linkischen Baudouin recht seltsam aussah.
»Wir haben gehört, hier soll eine Fehde stattfinden«, rief Gaspard. »Können wir vielleicht behilflich sein?«
Raymond Fabre stapfte ihnen durch den Schlamm entgegen und schlug Gaspard auf die Schulter. »Schön, dass ihr gekommen seid, Brüder – ihr seid hochwillkommen! Wir brauchen noch ein paar Männer da drüben bei der Stadtmauer. Könnt ihr die Stelle übernehmen?«
»Nur, wenn dort auch de Guillorys Kriegsknechte sein werden«, erklärte Pérouse großspurig. »Ich kann’s kaum erwarten, ein paar Schädel einzuschlagen.«
Fabre lachte. »Da macht Euch mal keine Sorgen. Ich glaube, jeder von uns wird heute alle Hände voll zu tun bekommen.«
Als die Neuankömmlinge an ihnen vorbeistapften, sagte Michel: »Schön, dass ihr euch doch noch dazu entschlossen habt, uns zu helfen.«
»Ich tue das für die Gilde«, erwiderte Gaspard, ohne ihn anzuschauen. »Nicht für Euch.«
Jean schüttelte seufzend den Kopf. Dieser Zwist war so töricht. Früher waren sein Bruder und Gaspard gemeinsam durch dick und dünn gegangen, hatten Geheimnisse und Erfahrungen geteilt und hätten alles füreinander getan – und jetzt machten sie sich gegenseitig das Leben schwer. Jean hoffte wirklich, dass sie eines Tages zur Vernunft kommen, ihre verletzten Eitelkeiten überwinden und sich versöhnen würden, wie es sich für zwei alte Freunde gehörte. Die Lage in der Stadt war wahrlich schwierig genug, auch ohne diesen kindischen Streit.
»Sie kommen!«, brüllte jemand.
Auf den Feldern jenseits der Handelsstraße erschienen Reiter, gut ein Dutzend, dazu noch einmal so viele Fußknechte. Anfangs waren sie nicht mehr als Schatten, kaum zu erkennen hinter den Regenschlieren. Erst als sie näher kamen, erblickte Jean Einzelheiten. Die Reiter, an deren Spitze Aristide de Guillory ritt, waren allesamt schwer gepanzert, hielten mandelförmige Schilde und legten gerade die Lanzen ein. Die Fußsoldaten trugen nur leichte Ringelpanzer und waren mit Spießen, Schwertern und Armbrüsten bewaffnet. Sie folgten den Reitern im Laufschritt, so gut es der Schlamm zuließ.
»Auf eure Posten!«, donnerte Fabre.
Wimmelnde Unruhe brach aus, als die Männer aus den Verschlägen
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