Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
werde ihm heimzahlen, was er dir angetan hat. Und das mit Maronne auch.«
»Gar nichts wirst du. Wir werden uns verteidigen und sonst nichts. Komm ja nicht auf die Idee, den Helden zu spielen.«
»Du gönnst einem auch gar keinen Spaß.« Jean warf die Axt in die Kiste, wo sie mit einem lauten Scheppern landete.
»Sag mir ehrlich deine Meinung«, bat Michel. »Hätte ich etwas tun können, damit der Gilde das erspart bleibt?«
Sein Bruder zuckte mit den Schultern. »Ich wüsste nicht, was. Du hast stets nur das Beste für die Gilde gewollt und immer nach friedlichen Lösungen gesucht. Dass es diesmal nicht geklappt hat, ist nicht deine Schuld.«
»Vielleicht doch. Vielleicht hätte ich zu de Guillory gehen und mit ihm verhandeln sollen.«
»Er hätte dir nicht zugehört, das weißt du doch.« Jean setzte sich neben ihn auf den Kistenstapel. »Du musst dich einfach damit abfinden, dass man sich Feinde macht, wenn man für seine Rechte kämpft. So ist das nun mal. Jetzt geh endlich ins Bett. Die nächsten Tage werden hart.«
Obwohl Michel todmüde war, schlief er in dieser Nacht sehr schlecht.
Die nächsten Tage flogen nur so dahin, und Michel wünschte, er könnte an drei Orten gleichzeitig sein. Er half Carbonel und Catherine bei der Befestigung der Brücke, unterstützte Pierre Melville beim Anwerben der Söldner und besprach mit Raymond Fabre verschiedene Verteidigungsstrategien. Außerdem sicherte er wie die anderen Schwurbrüder Haus und Hof, denn da die alte römische Mauer kaum noch Schutz bot, mussten sie damit rechnen, dass de Guillory jederzeit in die Stadt eindrang und über ihren Besitz herfiel.
Falls noch Zweifel daran bestanden hatten, dass de Guillory es ernst meinte, so räumte Nicolas de Bézenne sie am Tag nach der Übergabe des Fehdebriefs aus: Der Ritter hatte von den Ereignissen in Varennes gehört und besuchte Michel, um ihm zu berichten, dass sein Erzfeind überraschend Frieden mit ihm geschlossen habe und auf seine Forderungen verzichte. Sie beide wussten, was das bedeutete: De Guillory wollte Gefechte an zwei Fronten vermeiden und mit all seinen Männern gegen die Gilde ziehen, ohne fürchten zu müssen, dass Nicolas ihm in den Rücken fiel.
Derweil entwickelte sich die Lage in der Stadt genau so, wie Michel es vorausgesehen hatte. Von Bischof Ulman kam keinerlei Hilfe – der Kirchenmann verschanzte sich mit Tancrède Martel und den Männern des Domkapitels in seinem Palast und empfing keine Besucher. Auch Jaufré Géroux und die anderen Ministerialen ließen sich nicht in der Stadt blicken. Von Jean Caboche, dem Schmiedemeister, erfuhr Michel, dass nicht nur die Gefolgsleute des Bischofs den Befehl erhalten hatten, sich aus der Fehde herauszuhalten – auch die Handwerksbruderschaften waren von Ulman angehalten worden, der Gilde nicht beizustehen. Die meisten Bruderschaften gehorchten der bischöflichen Order, aus Angst vor Sanktionen. Lediglich die Schmiede setzten sich darüber hinweg und sandten der Gilde acht bewaffnete Männer, die begierig waren, gegen den verhassten Ritter zu kämpfen. Caboche persönlich führte sie an.
So wuchs das Aufgebot der Gilde bald auf fünfzig Krieger an. Wer keine eigenen Waffen besaß, bekam eine Axt oder einen Spieß sowie ein Schild und einen Helm aus Raymond Fabres Schmiede. Gaspard und seine Freunde Pérouse, Vanchelle und Baudouin folgten Michels Aufruf zum Kampf gegen de Guillory wider Erwarten nicht. Genau wie die Ministerialen verkrochen sie sich in ihren Häusern und erschienen nicht zu den abendlichen Zusammenkünften der Schwurbrüder. Michel war tief enttäuscht. Er hätte nicht gedacht, dass Gaspard in seiner Verbitterung so tief sinken würde, die Gilde im Stich zu lassen.
Fünfzig Männer, dachte Michel am Morgen des dritten Tages, als sich die Bewaffneten vor der Gildehalle sammelten. Das sah nach viel aus – aber würde es genügen? Wenn Fabres Schätzung stimmte, waren sie de Guillory fast zwei zu eins überlegen. Dafür verfügten der Ritter und seine Knechte im Gegensatz zu ihnen über beträchtliche Kampferfahrung.
Es muss genügen. Michel griff nach seinem Schild und gab den Befehl zum Abmarsch.
An jenem Morgen regnete es, wie an den Tagen zuvor, in Strömen.
Leise verfluchte Jean das Wetter, während er den Sitz seines Kettenhemdes überprüfte und die Eisenhaube geraderückte. Obwohl er sich wie die übrigen Männer die meiste Zeit in den überdachten Verschlägen der Brückenarbeiter aufhielt, klebte ihm sein
Weitere Kostenlose Bücher