Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
zu den Befestigungen liefen.
»Pass auf dich auf«, rief Jean seinem Bruder zu.
»Du auch«, erwiderte Michel, bevor er mit dem Schwert in der Hand Pierre Melville und Marc Travère nacheilte. Ihm folgten nicht nur ihre Knechte Adrien und Louis, sondern auch Yves und Gérard. Jean hatte ihnen eingeschärft, im Kampf niemals von Michels Seite zu weichen.
Jean griff nach seinem Schild, berührte ein letztes Mal den Talisman und hastete durch den Schlamm zu den Gräben, während er sein Schwert zog.
Sein Herz schien jeden Moment zu zerspringen, so heftig pochte es, als er die Reiter auf sich zudonnern sah. Aber es war immer noch keine Angst, die ihn erfasste, mehr eine wilde, alles verschlingende Erregung.
»Für Varennes! Für die Gilde!«, hörte er jemanden brüllen, bevor ihm klar wurde, dass er selbst es war, der dies schrie. Andere stimmten in seinen Kampfruf ein, und wenig später brüllten alle den heranstürmenden Feinden ihre Entschlossenheit entgegen.
De Guillory führte seine Reiter zu den wenigen Lücken zwischen den Barrieren. Jeder, der eine Armbrust besaß, begann sofort zu schießen. Drei, vier Männer sanken getroffen aus den Sätteln, doch die anderen brachen durch, gefolgt von den Fußknechten.
Schwurbrüder, Schmiede und Söldner warfen sich ihnen entgegen, und binnen weniger Herzschläge fand sich Jean mitten im größten Getümmel wieder. Waffen klirrten. Männer brüllten. Pferdehufe zerstampften den aufgeweichten Boden. Instinktiv riss Jean seinen Schild hoch und wehrte den Lanzenstoß eines Reiters ab; dröhnend schrammte die Eisenspitze über die Metallplatte und warf ihn fast in den Schlamm. Er rang um sein Gleichgewicht und schlug mit dem Schwert nach dem Angreifer, streifte ihn jedoch nur am gepanzerten Oberschenkel, sodass der Mann den Hieb nicht einmal bemerkte.
Die schwer gerüsteten Ritter erwiesen sich als schreckliche Gegner. Ihre von oben herab geführten Lanzenstöße und Schwerthiebe waren überaus tödlich. Und es war schwer, ja fast unmöglich, sie mit der Waffe zu treffen, wenn man nicht selbst auf einem Pferd saß. Außerdem unterstützten die Schlachtrösser ihre Reiter im Gefecht, indem sie nach Angreifern schnappten und traten, erfüllt von einem wilden, geradezu bösartigen Kampfgeist. Aus den Augenwinkeln sah Jean, dass einer der Söldner von den beschlagenen Hufen eines steigenden Hengstes am Kopf getroffen wurde und bewusstlos oder tot in den Schlamm sank.
Mit dem Schwert komme ich nicht weit.
Wenn er den Reitern gewachsen sein wollte, brauchte er eine längere Waffe. Da! Der Spieß eines verwundeten Söldners. Er rammte seine Klinge in die Scheide und hob die Pike auf. Gerade rechtzeitig, denn im gleichen Moment sprang einer der Fußknechte über den Graben und ließ einen Morgenstern über dem Kopf wirbeln. Jean fing die dornenbewehrte Eisenkugel mit dem Schild auf, stieß mit der Pike zu und traf den Mann an der Schläfe, sodass sein Helm davonflog und er rückwärts in den Graben stürzte.
De Guillory und seine Reiter hatten sich unterdessen bis zur Stadtmauer vorgekämpft, wo die Schwurbrüder und ihre Knechte sie von allen Seiten bedrängten. Jean hielt nach Michel Ausschau, konnte ihn jedoch nirgendwo entdecken. Mach dir keine Sorgen um ihn – Yves und Gérard passen schon auf ihn auf. Kümmere dich lieber um de Guillory.
Mit dem Spieß in der Rechten rannte er an den kämpfenden Männern vorbei durch den Schlamm. Bevor er die Reiter erreichte, hatten sich de Guillory und seine Mannen aus der Umklammerung der Verteidiger befreit und jagten in Richtung Baustelle. Ein paar Kaufleute hatten dies offenbar vorhergesehen und waren vorausgelaufen, um die Brücke zu schützen, unter ihnen Michel. Als de Guillory an den Schwurbrüdern vorbeiritt, schwenkte er nach rechts.
O Gott, er will Michel erschlagen!, durchfuhr es Jean. Mehr konnte er jedoch nicht sehen, denn im gleichen Moment galoppierte ein Reiter auf ihn zu, die Streitaxt zum Schlag erhoben. Jean ging leicht in die Knie, ließ den Hieb auf seinen Schild krachen, fuhr blitzschnell herum und stieß mit seinem Spieß zu. Die Waffe traf auf Widerstand, und er sah, dass er den vorbeijagenden Reiter am Rücken verletzt hatte. Die Axt entglitt seinen Fingern, und der Mann rutschte aus dem Sattel, während sein Pferd führerlos umhertänzelte.
So schnell er konnte, hastete Jean zur Baustelle.
Unterwegs kam er an Raymond Fabre vorbei, der allem Anschein nach einen heftigen Schlag auf den Helm bekommen
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