Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Fürsten mit ihrer Macht und ihrem Reichtum zu prahlen.
Rauch und der Duft gebratenen Fleisches durchwehten die Zeltstadt, durchsetzt vom Gestank der Abortgräben am Rand des Lagers. Fliegende Händler verkauften Bier und Wein, was reißenden Absatz fand. Überall boten halbnackte Huren mit bemalten Körpern ihre Dienste feil, Gaukler spuckten Feuer und jonglierten mit Messern.
»Hier schlagen wir unsere Zelte auf«, befahl de Bézenne, als sie zu einer freien Fläche am Ufer der Moder kamen.
Michel betrachtete das Menschengewimmel, dachte an die zahllosen Diebe und Beutelschneider, die hier gewiss ihr Unwesen trieben, und schärfte Jean ein, den Wagen mit der Truhe niemals aus den Augen zu lassen. Sein Bruder nahm sich die Warnung zu Herzen und setzte sich mit finsterer Miene und seinem Schwert in der Hand auf die Wagenpritsche, fest entschlossen, niemanden auch nur in die Nähe des Schatzes zu lassen.
»Wie läuft so ein Hoftag ab?«, erkundigte sich Michel bei de Bézenne, der seine Soldaten beim Aufbauen der Zelte beaufsichtigte.
»Heute Morgen fand ein Gottesdienst mit Friedrich, Herzog Simon und allen Fürsten statt«, erklärte der Ritter. »Inzwischen dürfte der Kaiser schon in der Aula sein. Dort empfängt er in den nächsten Tagen seine Vasallen, wirbt für den Kreuzzug, regelt Zollfragen und so weiter. Pass doch mit der Stange auf, verdammt noch mal!«, fuhr er einen Waffenknecht an. »Wenn man nicht alles selbst macht! Renouart, hilf diesen Tölpeln.«
»Ja, Vater«, sagte sein Sohn, scheuchte den Missetäter weg und legte mit Hand an.
»Und Ihr werdet dafür sorgen, dass Barbarossa uns empfängt?«
»Ich habe Euch doch mein Wort gegeben. Aber versprechen kann ich nichts. Der Kaiser ist ein vielbeschäftigter Mann. Er empfängt nicht jeden.«
In diesem Moment kamen Catherine, Duval und Fabre, die sich ein wenig umgesehen hatten, zu ihrem Lagerplatz zurück. Alle drei wirkten besorgt.
»Es gibt Schwierigkeiten«, berichtete Duval. »De Guillory ist hier.«
Unwillkürlich blickte sich Michel nach allen Seiten um. »Wo?«
»Sein Zelt steht ganz dahinten, auf der anderen Seite des Lagers.«
»Hat er Euch gesehen?«
»Ich glaube nicht.«
Besorgt biss Michel sich auf die Unterlippe. Dass de Guillory den Hoftag besuchte, kam nicht gänzlich unerwartet, immerhin war er ein Vasall Herzog Simons und damit auch des Kaisers. Doch bis zuletzt hatten sie gehofft, ihr Feind würde der Fürstenversammlung fernbleiben.
»Ruhig Blut«, sagte de Bézenne. »Das Fehderecht verbietet es de Guillory, Euch anzugreifen, während Ihr beim Kaiser seid. Bisher hat er sich immer daran gehalten. Glaubt mir – ich spreche aus Erfahrung. Und selbst wenn nicht, bin immer noch ich da«, fügte er grimmig hinzu.
»Was macht er auf dem Hoftag? Will er etwa auch am Kreuzzug teilnehmen?«, fragte Duval hoffnungsvoll.
»Wohl kaum«, meinte de Bézenne. »Um für die Christenheit zu kämpfen, muss man wenigstens einen Funken Ehre im Leib haben. Vermutlich ist er nur wegen des Turniers hier.«
Sowie die Zelte standen, machten sich Nicolas und Renouart auf den Weg zur Königspfalz, um beim Kaiser vorzusprechen. Für Michel und seine Gefährten gab es vorerst nichts zu tun. Also schlenderten sie zu einer nahen Birke, deren Schatten sie vor der recht heißen Nachmittagssonne schützte, und beobachteten das Turnier, das auf der anderen Seite der Moder stattfand.
Auf einer freien Wiese maßen sich Dutzende Ritter im Tjosten: Unter dem anfeuernden Jubel der Zuschauer galoppierten jeweils zwei in voller Rüstung aufeinander zu und versuchten, sich gegenseitig mit stumpfen Turnierlanzen aus dem Sattel zu stoßen, was stets ein ohrenbetäubendes Krachen und Scheppern zur Folge hatte. Es dauerte nicht lange, da entdeckte Michel de Guillory unter den Teilnehmern. Widerstrebend musste er zugeben, dass sich der Ritter nicht übel schlug: Gegner um Gegner traf er zielsicher mit seiner Lanze und hob jeden einzelnen aus dem Sattel, wodurch er bald als Turnierfavorit gehandelt wurde. Michel ertappte sich bei dem Stoßgebet, es möge, wie so oft beim Tjosten, zu einem schweren Unfall kommen, bei dem de Guillory einen Lanzensplitter ins Auge bekam oder sich wenigstens alle Knochen brach.
Nachmittags traf auch Bischof Ulman auf der Königspfalz ein. Michel sah ihn in seinem Reisewagen über die Moderbrücke fahren, gefolgt von allerlei Dienern, Schreibern und Waffenknechten. Michel hatte mit ihm gerechnet – als Bischof war es zwar nicht
Weitere Kostenlose Bücher