Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
obwohl Ihr noch recht jung an Jahren seid, wie uns scheint.«
»Nicolas übertreibt«, erwiderte Michel. »Ich bin nur ein einfacher Kaufmann, der sich für das Wohl seiner Gilde einsetzt.«
»In welcher Angelegenheit tretet Ihr vor Uns?«, kam Barbarossa ohne Umschweife zur Sache.
Allmählich verstand Michel, warum es so viele Männer gab, die den Kaiser vergötterten. Auch auf ihn blieben Friedrichs geschliffenes Auftreten und herzliche Freundlichkeit nicht ohne Wirkung: Mit wenigen Worten war es Barbarossa gelungen, dass Michel sich wichtig und geschätzt fühlte und alles tun würde, um seinem Gebieter zu gefallen. Doch bei alldem durfte er nicht vergessen, dass der Staufer ein Fuchs war, listig und mit allen Wassern gewaschen, dazu ein unerbittlicher Kriegsherr. Er hatte dereinst den Papst herausgefordert, seinen Erzfeind Heinrich den Löwen vernichtet und die rebellische Lombardei mit Krieg überzogen. Barbarossas Güte täuschte allzu leicht darüber hinweg, dass er seinen Feinden mit unnachgiebiger Härte entgegentrat und jeden zerschmetterte, der seinen Zorn erregte. Jedes Wort in diesem Saal wollte wohlüberlegt sein.
»Wie Ihr wisst, ist Varennes-Saint-Jacques nur eine kleine Stadt«, begann Michel. »Wir sind nicht reich, und doch tun wir unser Bestes zum Wohle des Herzogtums und des Reiches. Alle Bürger, vom angesehensten Kaufmann bis zum geringsten Tagelöhner, sind Euch, Herzog Simon Châtenois und dem Hause der Staufer seit jeher treu ergeben und beten täglich für Euer Wohl und das Heil Eurer Seele.«
Der Kaiser nickte und forderte Michel mit einer Geste auf, fortzufahren.
»Als Beweis unserer Treue haben wir Euch Geschenke mitgebracht.« Michel trat zur Seite, Jean und Raymond Fabre trugen die Truhe nach vorne und öffneten sie. »Wir übergeben Euch hundertzwanzig Pfund in Silber, außerdem Waffen, Fässer mit Salz, für das Varennes berühmt ist, und andere Erzeugnisse unserer Stadt. Versteht diese Gaben als Beitrag der Gilde zu Eurem heiligen Kreuzzug nach Jerusalem.«
»Ein wahrhaft großzügiges Geschenk. Das Reich und die Christenheit sind Euch und Euren Schwurbrüdern zu Dank verpflichtet.«
Michel neigte abermals sein Haupt. »Ihr beschämt uns, mein Gebieter. Der Dank der Christenheit gebührt Euch allein.«
»Wir wollen Eure Treue belohnen«, sagte Barbarossa freundlich. »Nennt Uns einen Wunsch, und Wir werden ihn Euch gewähren.«
»Eure Güte wird nur von Eurer Großzügigkeit übertroffen.« Michel konnte förmlich hören, wie Jean, Catherine, Duval und Fabre vor Anspannung die Luft anhielten. Mit Bedacht wählte er seine nächsten Worte. »Die Gilde von Varennes sehnt sich nach einer eigenen Brücke über die Mosel, denn sie würde den Salzhandel im Moseltal in großem Maße erleichtern und unserer Stadt Wohlstand bringen. Bitte gestattet uns, sie zu bauen.«
Barbarossa winkte einen Rechtsgelehrten herbei und ließ sich mehrere Urkunden vorlegen. Michel wusste, dass es sich dabei um Abschriften der Regalien handelte, die frühere Könige dem Bistum Varennes-Saint-Jacques übertragen hatten, damit der Kaiser prüfen konnte, ob das Recht, Brücken zu errichten, bereits vergeben war.
Während Friedrich die Dokumente studierte, öffnete sich eine Tür. Der Mann, der hereinkam, war kein anderer als Johann I., Archidiakon des Erzbistums Trier und Kanzler des Heiligen Römischen Reiches. Der kleine grauhaarige Mann in seiner schlichten Soutane durchquerte den Saal und nahm auf einem Lehnstuhl neben Barbarossa Platz. Nicht im Traum hatte Michel damit gerechnet, Johann hier anzutreffen. Dabei leitete der Kleriker die Hofkanzlei und war einer der wichtigsten Berater des Kaisers.
Johanns Erscheinen änderte alles. Der Archidiakon war ein Freund Bischof Ulmans und würde gewiss nicht zulassen, dass Barbarossa die Brücke genehmigte. Michel biss die Zähne zusammen. Warum hatte keiner von ihnen vorausgesehen, dass Johann auf dem Hoftag sein würde?
Der Reichskanzler musterte ihn unverwandt. Erinnerte er sich daran, dass Michel sich einst geweigert hatte, ihm sein Salzschiff zu überlassen?
Johann beugte sich zu Barbarossa hinüber, und die beiden Männer flüsterten. Obwohl Michel kaum ein Wort verstand, konnte er sich denken, worüber sie sprachen: Johann wollte wissen, was die Gildenleute hier zu suchen hatten, worauf Barbarossa es ihm in knappen Worten erklärte. Der Reichskanzler schüttelte den Kopf und redete eindringlich auf den Kaiser ein – offenbar wollte er ihn davon
Weitere Kostenlose Bücher