Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
überzeugen, die Brücke auf keinen Fall zu genehmigen. Friedrichs Miene wurde hart, und er wandte sich abermals an Michel.
»Aus den Aufzeichnungen geht nicht hervor, wer im Bistum Varennes-Saint-Jacques Brücken bauen darf – das entsprechende Regal wurde offenbar niemals vergeben. Ihr hättet Euch daher mit Bischof Ulman, Eurem Stadtherrn, einigen müssen. Warum habt Ihr Euch stattdessen an Uns gewandt?«
Michel entging der schneidende Unterton in Barbarossas Stimme nicht. Die Situation war gefährlich – ein falsches Wort, und der Kaiser konnte den Eindruck gewinnen, man hielte ihn zum Narren. Michel beschloss daher, ehrlich zu sein und die Karten auf den Tisch zu legen. »Tatsächlich haben wir mit Seiner Exzellenz Bischof Ulman gesprochen. Er hat die Brücke genehmigt, sodass wir bereits im letzten Jahr mit dem Bau beginnen konnten. Daraufhin hat Aristide de Guillory, ein Gefolgsmann unseres Herzogs, der Gilde von Varennes-Saint-Jacques die Fehde erklärt.«
»Wieso?«, wollte Barbarossa wissen.
»Seine Ländereien grenzen im Süden an das Bistum. Dort besitzt die Familie de Guillory seit vielen Jahren eine Brücke, für deren Überquerung sie Zoll verlangt. Nun fürchtet er, dass ihn die neue Brücke um seine Einnahmen bringt.«
»Eure Brücke dient also dem Zweck, de Guillorys Zoll zu umgehen.«
»Das ist richtig, mein Gebieter. Seit über drei Jahren erhöht de Guillory den Brückenzoll ständig. Inzwischen ist er so hoch, dass er den Handel lähmt.«
»Wie hoch ist er genau?«
»Fünfzehn von hundert Teilen auf jede Ware. Der Zoll trifft uns umso härter, da die Gilde von Varennes hauptsächlich mit Salz handelt und die Brücke der einzige Weg zur Saline des Bistums ist.«
»Fünfzehn von hundert«, wiederholte Barbarossa. »Das grenzt an Wucher.«
»Wir bitten Euch um die Genehmigung unserer Brücke, damit der Bau endlich rechtlich abgesichert ist«, sagte Michel. »Das ist die einzige Möglichkeit, den Streit mit Aristide de Guillory zu beenden. Andernfalls wird die Fehde, die überaus schädlich für die Gilde und die Bewohner unserer Stadt ist, noch viele Monate weitergehen und irgendwann auch den Handel in ganz Oberlothringen beeinträchtigen.«
Michel war nicht sicher, ob Barbarossa ihm zugehört hatte, denn Johann redete abermals leise auf ihn ein. Schließlich nickte der Kaiser.
»Die Gerechtigkeit verlangt, dass Wir auch die andere Seite anhören«, sagte er. »Man hole Aristide de Guillory und Bischof Ulman, der als Herr von Varennes-Saint-Jacques ebenfalls von dieser Angelegenheit betroffen ist.«
Ein Schreiber eilte davon.
Quälend lange Minuten vergingen. Michel konnte nicht einschätzen, was geschehen würde, wenn sich neben dem Bischof auch de Guillory zu dieser Sache äußerte. Vielleicht verwehrte ihnen der Kaiser seine Genehmigung letztlich doch, weil er einen Vasallen des Herzogs, auf dessen Treue auch er angewiesen war, nicht benachteiligen wollte.
Es dauerte lange, bis der Gelehrte zurückkam. Als er endlich den Saal betrat, war Bischof Ulman bei ihm – nicht jedoch Aristide de Guillory.
Ulmans Gesicht war eine Maske mühsam beherrschten Zornes. Ganz offensichtlich war er über alles im Bilde. Er trat vor die beiden Lehnsessel und verneigte sich äußerst knapp. »Majestät. Reichskanzler.«
»Wo ist de Guillory?«, wandte sich der Kaiser an den Schreiber.
»Ich fürchte, er kann nicht kommen, Herr«, antwortete der Geistliche zögernd.
»Wieso? Er ist doch gestern Abend in Hagenau eingetroffen, oder etwa nicht?«
»Er ist hier. Aber er ist betrunken und außerstande, mit Euch zu sprechen.«
»Betrunken?«, fragte Barbarossa barsch.
»Er feiert seinen Sieg im Tjosten. In einem Hurenhaus«, fügte der Gelehrte peinlich berührt hinzu.
Der Kaiser war nicht amüsiert. »Dann hat er eben Pech gehabt«, schnarrte er und wandte sich an Ulman. »Die Gilde Eurer Stadt ersucht Uns, ihre Brücke zu genehmigen. Habt Ihr Einwände dagegen?«
Ohne Michel und die anderen Kaufleute eines Blickes zu würdigen, sagte Ulman: »Ich bitte Euch, der Gilde Eure Genehmigung zu verweigern, mein Gebieter. Andernfalls wird sie die Brücke zum Anlass nehmen, gegen die Macht der Kirche aufzubegehren, wie sie es bereits in der Vergangenheit getan hat.«
»Wenn Ihr derartige Bedenken hegt, wieso habt Ihr der Gilde im vergangenen Jahr erlaubt, die Brücke zu bauen?«
Ulman suchte mühsam nach Worten. Er konnte schwerlich zugeben, dass Michel ihn hereingelegt hatte. »Damals war noch nicht
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