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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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erwartete ihn bereits in der Dachkammer. Er sah auf den ersten Blick, dass sie besorgt war. Wie sie da auf der Bettkante saß, das Gesicht blass, die Hände im Schoß gefaltet – irgendetwas war vorgefallen.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Archambaud Leblanc war heute bei Gaspard.«
    Michel kannte Leblanc, wenngleich nicht sehr gut. Der Mann war einer der wohlhabendsten Grundbesitzer Varennes’ und führte die Bruderschaft der Stadtbauern und Viehzüchter an. »Was wollte er?«
    »Er hat um meine Hand angehalten.«
    Michel setzte sich zu ihr. In den vergangenen drei Jahren hatten ein halbes Dutzend Männer Isabelle den Hof gemacht. Sogar Robert Laval und Abaëlard Carbonel, beides Witwer, hatten einst, Monate vor Michels Rückkehr aus Mailand, ihr Glück versucht. Und nun auch Archambaud Leblanc. Zwar konnte Michel nicht behaupten, dass ihm das gefiel, doch es beunruhigte ihn auch nicht besonders. Man konnte sich darauf verlassen, dass Gaspard jeden Bewerber abwies, denn kein Mann war ihm je gut genug für Isabelle. Entweder waren sie zu arm oder zu alt, oder er konnte sie schlicht nicht leiden, wie Laval. Leblanc, der bereits erwachsene Söhne hatte, war ihm ganz gewiss zu alt. Davon abgesehen würde Gaspard seine Schwester niemals einem Bauern zur Frau geben, gleichgültig, wie viel Land er besaß. »Was hat Gaspard getan? Hat er Leblanc abgewiesen?«
    »Natürlich. Aber gleich nach Leblancs Besuch ist er zu mir gekommen. Er war übler Laune und hat mir zu verstehen gegeben, dass ich nun lange genug um dich getrauert habe – dass er endlich einen Mann für mich suchen wird, sowie die Fehde vorbei ist und wieder Ruhe in der Stadt herrscht.«
    »Bei seinen Ansprüchen kann er lange suchen. Ein Mann, der reich ist und jung und einen tadellosen Charakter hat – so jemanden gibt es nicht in Varennes.«
    »Aber womöglich in Nancy oder Metz. Machen wir uns nichts vor, Michel. Irgendwann wird er einen Mann für mich finden. Und was dann?«
    »Er wird dich nicht gegen deinen Willen verheiraten.«
    »Bist du dir da so sicher?«
    »Er will dein Bestes. Er würde niemals etwas tun, was dich unglücklich machen könnte.«
    »Er hat sich verändert. Er ist so voller Wut. Manchmal glaube ich, ich kenne ihn nicht mehr. Ich weiß nicht, ob ihm mein Glück noch etwas bedeutet.«
    Michel nahm sie in den Arm. Er hätte sie gern beruhigt, ihre Sorgen zerstreut, doch er wusste nicht, wie. Vielleicht hatte sie recht und Gaspard würde eines Tages tatsächlich so weit gehen, sie gegen ihren Willen zu verheiraten, wenn er glaubte, dies diene dem Wohl der Familie. Sollte es wirklich dazu kommen, gab es wenig, was sie dagegen ausrichten konnten. Als Familienoberhaupt besaß Gaspard die Muntgewalt über Isabelle. Er konnte mit ihr tun, was er wollte, solange er nicht gegen das Gesetz verstieß. Zwar sah die Kirche Zwangsehen nicht gern, doch verhindern konnte sie diese oftmals nicht. Eine Heirat war letztlich ein Vertrag zwischen zwei Familien, dem die Kirche nur ihren Segen gab.
    »Ich lasse nicht zu, dass es so weit kommt«, sagte er. »Ich lasse das nicht zu, hörst du?«
    Sie verschränkte ihre Finger mit seinen. »Weißt du, was das Schlimmste ist? Dass Gaspard mich dazu bringt, ihn zu hassen. Ich will ihn lieben, aber wenn das so weitergeht, schaffe ich das nicht mehr. So ein Mensch will ich nicht sein, Michel.«
    Sie legte den Kopf in seine Halsbeuge, und so saßen sie lange da.
    H AGENAU
    D er Pfad führte bereits seit zwei Stunden bergab. Die schroffen Bergkämme und zerklüfteten Hänge der Vogesen wichen allmählich sanften Hügeln, der Buchenwald wirkte lichter und weit weniger bedrohlich als noch heute Morgen. Die Sonne blinzelte durch das Blätterdach, und es wurde bald so warm, dass Michel seinen Mantel auszog.
    »Wenn das Wetter hält, sind wir morgen Mittag da«, sagte Nicolas de Bézenne, der neben ihm ritt. Dass der Ritter sie nach Hagenau begleitete, war ein großes Glück für Michel und seine Gefährten, denn es ersparte ihnen die Kosten eines bewaffneten Geleitschutzes. Sie verdankten es dem Umstand, dass er auf dem Hoftag Kaiser Friedrich seine Hilfe beim Kreuzzug zusichern wollte. »Wart Ihr schon einmal auf einem Hoftag?«, fragte de Bézenne, als sie den Waldrand erreichten und ins Rheintal hinabblickten.
    »Bisher nicht«, antwortete Michel.
    »Es ist ein prächtiges Ereignis. Überall Zelte, Ritter, Gaukler. Fürsten mit ihrem Gefolge. An jedem Tag finden Turniere statt, den Gewinnern winken

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