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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Geschäfte seit geraumer Zeit recht günstig entwickeln, trage ich mich mit dem Gedanken zu heiraten. Ich sehne mich nach Kindern und einer Familie. Leider habe ich noch keine Frau gefunden, die zu mir passt. Ich muss gestehen, dass mir Eure Schwester Isabelle überaus gut gefällt. Sie ist wahrhaftig eine Schönheit und obendrein freundlich, sittsam und gebildet.«
    »Ihr wollt um Isabelles Hand anhalten?«, fragte Gaspard wenig überrascht.
    »Ja, das möchte ich – wenn Ihr erlaubt«, fügte der Tuchfärber schüchtern hinzu und wich seinem Blick aus. »Ich bin davon überzeugt, dass eine Heirat für unsere Familien von großem Vorteil wäre. Zweifellos würde die Verbindung unseren Wohlstand und Einfluss in der Stadt mehren. Darüber hinaus wäre ich Eurer Schwester ein guter und fürsorglicher Ehemann – mein Wort darauf. Ich weiß, wie teuer sie Euch ist.«
    Gaspard konnte nicht behaupten, dass Chastains Anliegen ihn begeisterte. Ein Tuchfärber als Ehemann für Isabelle, noch dazu einer, der einfachen Verhältnissen entstammte? Und dann diese Schüchternheit – kein guter Wesenszug für einen Mann. Andererseits: Chastain war reich, ein Mitglied der Gilde und nicht so verwelkt wie die alten Witwer, die seiner Schwester normalerweise den Hof machten. Es hatten wahrlich schon schlechtere Männer um ihre Hand angehalten. Und was seine eigene Suche nach einem Ehemann für Isabelle betraf … Seit fast einem Jahr nun kam er nicht voran. In Varennes schien es keine Männer zu geben, die seinen Vorstellungen entsprachen. Entweder waren sie zu alt oder zu arm oder bereits verheiratet. Doch, einen gibt es, flüsterte eine böse kleine Stimme in seinem Innern. Michel hat alles, was du suchst.
    Gaspard biss die Zähne zusammen. Ja, Michel wäre ein geeigneter Mann für Isabelle gewesen – hätte er nicht alles verdorben.
    Wütend schob er den Gedanken weg, als sich ein anderer in sein Bewusstsein drängte: Eben noch hatte er sich gefragt, was Michels größte Schwäche war – dabei lag es auf der Hand. Gaspard war nicht blind; jeden Sonntag bei der Messe sah er die Blicke, die Michel Isabelle zuwarf. Er verzehrte sich nach ihr, immer noch.
    Stell dir sein Gesicht vor, wenn er erführe, dass ich Isabelle Hernance Chastain versprochen habe. Es würde ihn zerbrechen.
    Ein verlockender Gedanke …
    Nein. Er liebte seine Schwester. Er durfte sie nicht zum Werkzeug seiner Rache machen. Falls er sich dazu entschlösse, Chastains Bitte stattzugeben, dann allein aus vernünftigen Erwägungen, wie es sich für einen Mann seiner Stellung geziemte.
    Blieb die Tatsache, dass Chastain alles in allem eine gute Partie wäre. Er konnte Isabelle ein Leben in Wohlstand ermöglichen und würde sie – vorausgesetzt, Gaspard täuschte sich nicht in dem Mann – anständig behandeln. Eine Verbindung ihrer Familien wäre auch aus anderen Gründen für ihn von Vorteil: Er würde in der Gilde einen neuen Verbündeten gewinnen, was er dringender als alles andere benötigte.
    »Wie lautet Eure Antwort?«, fragte Chastain, dem die Angst vor Zurückweisung ins Gesicht geschrieben stand.
    »Ich danke Euch für Euer Angebot, Hernance – ich fühle mich geehrt«, erwiderte Gaspard. »Aber solch ein Schritt will sorgfältig überlegt sein. Ich möchte diese Entscheidung nicht auf der Straße treffen.«
    »Das verstehe ich sehr gut«, sagte der Tuchhändler eilig.
    »Ich werde mich zu Hause mit der Familie beraten. Morgen teile ich Euch meine Entscheidung mit.«
    »Und ich werde sie akzeptieren, wie immer sie ausfällt.« Chastain reichte ihm die Hand und blickte ihm erstmals in die Augen. »Ich danke Euch, Herr Caron. Möge der heilige Jacques Euch und Eure Familie schützen.«
    Anubis hatte sein Fressen schon wieder nicht angerührt.
    Besorgt kniete sich Isabelle neben den älteren der beiden Mastiffs und streichelte ihm den Hals. Der Hund bewegte sich seit Tagen kaum noch von der Stelle, und wenn er es tat, winselte er vor Schmerz. Er war krank. Todkrank. Vielleicht lebte er noch eine Woche, aber jeder Tag bedeutete eine Verlängerung seiner Qualen.
    Isabelle konnte sein Leid nicht mehr mit ansehen. Später, wenn Gaspard nach Hause käme, würde sie ihren Bruder bitten, ein scharfes Messer zu holen und Anubis zu erlösen. Es hatte keinen Sinn, noch länger zu warten.
    Sanft kraulte sie dem Mastiff das Fell. Der trübe Glanz in seinen Augen brach ihr das Herz. Er war immer solch ein stolzes, mächtiges Tier gewesen, und nun siechte er dahin.

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