Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Ihr jemanden?«, fragte Ulman, als er de Guillorys nachdenkliche Miene bemerkte.
»Ein unauffälliger, belesener Pferdeknecht«, murmelte der Ritter. »Vielleicht. Ich muss mich umhören. Mit einem alten Kampfgefährten reden.«
»Tut das. Aber beeilt Euch. Es wird nicht lange dauern, bis de Fleury einen neuen Knecht gefunden hat, und dann ist es zu spät.«
»Keine Sorge«, knurrte de Guillory und erhob sich. »Ich bin kein zaudernder Leisetreter wie Ihr. Ich packe die Dinge an. Spätestens morgen weiß ich mehr.«
Drei Tage, nachdem Michel mit dem städtischen Ausrufer gesprochen hatte, meldete sich der erste Bewerber für den Posten des Pferdeknechts. Michel war überrascht, dass es so schnell ging, hatte er sich doch auf eine lange Wartezeit eingerichtet. Allerdings wich seine Freude Ernüchterung, als Jean und er den Mann genauer in Augenschein nahmen. Er schien ein schwerer Trinker zu sein; er roch nach saurem Wein und nuschelte so stark, dass sie kaum ein Wort verstanden. Als sie ihn in den Stall führten, damit er an den Saumtieren sein Können demonstrierte, zeigte sich obendrein, dass er nicht das Geringste von Pferden verstand. Er stellte sich gar so ungeschickt an, dass Abendrot ihm beinahe einen Tritt versetzte.
Enttäuscht schickte Michel ihn fort.
»Einen Pferdeknecht wie Adrien finden wir nie mehr«, sagte Jean. »Zumal die guten Leute alle schon weg sind.«
»Abwarten. Das wird schon. Wir müssen eben Geduld haben.«
Sie hatten Glück: Schon einen Tag später sprach ein weiterer Bewerber vor. Der Mann machte einen vernünftigen Eindruck; zumindest stank er nicht wie der Erste, trug saubere Kleidung und konnte sich verständlich ausdrücken.
»Wie heißt du?«, fragte Michel, als Jean und er mit ihm im Eingangsraum zusammensaßen.
»Foulque, Herr.«
Er zählte etwa dreißig Sommer und war von gedrungener Statur. Sein dunkelblondes Haar wurde bereits schütter, und sein rundes Gesicht wäre in einer Menschenmenge nicht aufgefallen. Die Wangen waren gerötet, als hätte er gerade herzhaft gelacht; seine Augen wirkten wach und klug.
»Und weiter?«
»Einfach Foulque.«
Michel nickte. Viele Männer von einfachem Stand besaßen keinen richtigen Nachnamen oder nannten sich schlicht nach dem Ort, in dem sie geboren waren. »Kommst du aus Varennes? Ich habe dich noch nie gesehen.«
»Ich bin aus Nancy. Bin erst seit ein paar Tagen hier.«
»Weil du Arbeit suchst?«
Foulque nickte. »Mein alter Herr ist kurz nach Lichtmess gestorben. Ein Freund hat mir erzählt, dass in Varennes-Saint-Jacques Knechte gebraucht werden.«
»Verstehst du etwas von Pferden?«
»Ich arbeite seit sechzehn Jahren als Pferdeknecht, Herr.«
»Also gut«, sagte Michel. »Dann wollen wir mal sehen, was du kannst.«
Sie führten Foulque zum Stall und baten ihn, Abendrot zu striegeln und dem Wallach Zaumzeug anzulegen. Foulque erledigte beides mit Geschick und Feingefühl; Abendrot fasste sofort Vertrauen zu ihm und rieb schnaubend seinen Kopf an der Schulter des Mannes.
Michel warf Jean einen Blick zu. Sein Bruder nickte.
»Wenn du willst, kannst du für uns arbeiten. Du bekommst zwanzig Deniers in der Woche, zwei Mahlzeiten am Tag, zweimal im Jahr neue Kleider und eine Schlafstatt in der Gesindekammer. Bist du einverstanden?«
Foulque grinste bis über beide Ohren. »Ich danke Euch, Herr«, sagte er. »Habt tausend Dank. Gott schütze Euch.«
Nachdem sie ihren neuen Knecht im Haus herumgeführt und ihm gezeigt hatten, wo er schlafen konnte, stieg Michel zu seiner Schreibstube hinauf, um einige liegen gebliebene Arbeiten zu erledigen. Wie es seine Gewohnheit war, blickte er zuerst aus dem Fenster, bevor er sich ans Schreibpult setzte – und siehe da, Isabelle hatte ihren roten Schal aus dem Fenster gehängt.
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Es war mehr als drei Wochen her, dass er sie das letzte Mal getroffen hatte. Die viele Arbeit und Viviennes Besuch hatten es einfach nicht zugelassen, dass er sich für ein paar Stunden davonstahl.
Er eilte zu Jean, der die Tiere fütterte. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Kannst du mit Louis zu Nicolas de Bézenne fahren und ihm die versprochenen Waren liefern?«
»Ich dachte, das wollten wir morgen machen.«
»Mir ist eingefallen, dass ich morgen in der Gildehalle zu tun habe.«
Jean nickte. »Natürlich. Kommst du nicht mit?«
»Mir wäre es lieb, wenn ich mich heute um die Bücher kümmern könnte. Wenn ich nicht endlich die Ausgaben der letzten Wochen
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