Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
heiratest Chastain. Du weißt, was das bedeutet. Du wärst gefangen in der Ehe mit einem Mann, den du nicht liebst. Der nichts von dir erwartet, als dass du ihm alle zwei Jahre ein Kind gebierst. Du bist für solch ein Leben nicht geschaffen. Du würdest daran zugrunde gehen.«
»Und was wird aus Jean? Deinem Geschäft? Meiner Familie?«
»Das wird sich finden.« Michel lächelte. »Wir gehen in die Champagne. Oder nach Burgund. Hauptsache, fort von Varennes. Bis Gaspard uns gefunden hat, haben wir längst geheiratet, und er kann nichts mehr dagegen tun.«
Schweigend blickte sie ihn an. Ihre Hände waren kalt.
»Sag Ja«, bat Michel.
»Ja«, flüsterte sie.
Er küsste sie. Endlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
»Ich wollte schon immer mal nach Burgund.«
»Wichtig ist, dass wir jetzt nichts überstürzen«, sagte Michel. »Bevor wir Varennes verlassen, müssen wir uns gut vorbereiten und alles genau durchdenken. Die Hochzeit ist in gut vier Monaten? Und Chastain ist bis Juni oder Juli in Italien?«
»Ja.«
»Wir haben also noch etwas Zeit.« Er dachte nach. »Wir gehen kurz nach Fronleichnam.«
»Wieso nicht früher?«
»Mitte April muss ich nach Flandern. Die Reise ist seit Monaten geplant – ich kann sie nicht absagen. Das kann ich Duval und Catherine nicht antun. Außerdem brauche ich das Geld. Wenn wir uns in der Fremde etwas aufbauen wollen, brauchen wir jeden Sou. In Burgund ist das Leben teuer.«
Isabelle nickte. »Also Fronleichnam.«
»Sowie ich aus Flandern zurück bin, bringe ich dich fort.«
Nun, da es beschlossen war, verspürte Michel eine enorme Zuversicht und Tatkraft. Nicht mehr lange, und sie wären endlich frei. Frei von allen Zwängen, die ihrer Liebe im Weg standen, frei von der ständigen Angst, jemand könnte sie zusammen sehen.
Es setzte sich neben Isabelle, und gemeinsam schmiedeten sie einen Plan.
Zwei Tage später kam Jean zurück. Während die Knechte den Wagen in die Remise brachten und den Ochsen versorgten, setzte er sich zu Michel in die Schreibstube, übergab ihm das Geld und berichtete, wie das Geschäft mit Nicolas de Bézenne gelaufen war.
»Ich glaube, mit Foulque haben wir einen guten Fang gemacht«, sagte er. »Er denkt mit und packt mit an, ohne dass man ihm jeden Handgriff erklären muss. Und Geschichten kann er erzählen – das glaubst du nicht. Hör dir mal die an …«
Jean gab eine abenteuerliche Posse zum Besten und schlug sich vor Lachen auf die Schenkel. Michel hörte ihm nur mit einem Ohr zu und rang sich ein Lächeln ab. Seit zwei Tagen schon dachte er darüber nach, ob es klug wäre, Jean in seine Pläne einzuweihen. Nein, entschied er . Noch nicht. Es ist zu riskant. Je später er davon erfährt, desto besser. Er würde ihm während der Reise nach Flandern von seinen Absichten erzählen. Das war früh genug.
Verzeih mir, Jean, dachte er, während sie gemeinsam nach unten gingen. Aber sicher ist sicher.
April und Mai 1189
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
D er April kam und mit ihm ein heftiger Sturmregen, der zwei Tage lang das öffentliche Leben in Varennes lahmlegte. Die Mosel trat über die Ufer und überschwemmte den Fischmarkt und Teile der Unterstadt. Michel war in Sorge um die Brücke, doch sie wurde nur geringfügig beschädigt. Die Gilde hatte sie so fest gebaut, dass ein einfaches Hochwasser ihr kaum etwas anhaben konnte.
Als sich das Wetter besserte und die Überschwemmung zurückging, halfen die Gilde und die Handwerksbruderschaften den Bewohnern der Unterstadt, die Hütten wiederaufzubauen, die Wind und Wassermassen weggerissen hatten. Währenddessen kam Bischof Ulman seiner Pflicht zur Heerfolge nach und wählte aus den Reihen seiner Waffenknechte fünfzehn Männer aus, die Kaiser Barbarossa ins Heilige Land folgen würden. Beinahe unbemerkt von den Bewohnern Varennes’ verließen die Soldaten eines Morgens die Stadt und machten sich mit geschulterten Lanzen auf den langen Marsch gen Regensburg.
Als Michel davon erfuhr, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass bald auch die Kreuzfahrer der Gilde würden aufbrechen müssen, um sich Barbarossas Heerfahrt anzuschließen – etwas, das er nur allzu gerne vergaß. Unerbittlich rückte dieser Tag näher. Ganz Varennes fieberte ihm entgegen, denn Männer aus allen gesellschaftlichen Ständen hatten sich Raymond Fabre angeschlossen: Bauern, Söldner, Handwerker, die Söhne reicher Grundbesitzer, Unfreie, die ihr Heil in der Fremde suchten, unmündige Jünglinge wie Yves und Gérard,
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