Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Kontakt mit britischen Kaufleuten auf, denen sie ihr Salz verkauften oder es gegen die begehrte englische Wolle eintauschten. Nachdem sie sich außerdem mit flandrischem Tuch, Wein aus der Gascogne und anderen Gütern aus Frankreich und Norddeutschland eingedeckt hatten, machten sie sich auf den Rückweg.
Bei einer zweitägigen Rast in der flandrischen Handelsstadt Gent, wo sie weitere Geschäfte tätigten, traf Michel zufällig einen lombardischen Kaufmann, den er flüchtig von seiner Zeit in Mailand kannte. Bei einem Becher Wein auf dem Tuchmarkt kamen sie ins Gespräch, woraufhin ihm der Lombarde erzählte, Messere Agosti sei im vergangenen Winter nach langer Krankheit gestorben. Er habe den größten Teil seines Besitzes der Kirche vermacht; in dem Palazzo, in dem Michel drei Jahre verbracht hatte, wohne nun ein Kardinal und Vertrauter von Papst Clemens. Diese Nachricht schockierte Michel so sehr, dass ihm die Stimme versagte. Knapp verabschiedete er sich von seinem lombardischen Bekannten und ging zur nächsten Kirche, um für die Seele des Messere zu beten.
Nach sechs Wochen, am letzten Maitag, kehrten sie schließlich nach Oberlothringen zurück. In Metz verkauften sie die Waren aus Brügge und Gent, wodurch jeder von ihnen ein kleines Vermögen verdiente. Es war der größte geschäftliche Erfolg seines Lebens, dennoch gelang es Michel nicht, sich über die Truhe voller Silber zu freuen. Er hätte mit Freuden jeden Denier davon hergegeben, wenn er dafür sein Zerwürfnis mit Jean hätte ungeschehen machen können.
Auf dem Weg nach Süden begegnete ihnen Pierre Melville, der geschäftlich am Hof des Herzogs in Nancy gewesen war. Auch Melville war auf dem Rückweg nach Varennes, also zogen sie gemeinsam weiter.
»Ich fürchte, ich habe traurige Neuigkeiten für Euch«, sagte er bei ihrer Rast am Wegesrand. »Abaëlard ist gestorben.«
»Wann?«, fragte Michel.
»Ende April. Kurz nach Eurer Abreise ist es noch einmal richtig kalt geworden, wodurch sich das Fieber, das ihn seit Monaten plagte, verschlimmert hat. Sein altes, schwaches Herz hat das nicht verkraftet. Eines Morgens fanden ihn seine Bediensteten tot in seinem Bett.«
Catherine, Duval und Michel bekreuzigten sich. Catherine begann leise zu weinen. Auch Michel kämpfte mit den Tränen. Gewiss, dass Gott Abaëlard zu sich geholt hatte, kam nicht überraschend, hatte der steinalte Salzhändler doch viel länger gelebt, als der Allmächtige einem Mann üblicherweise zugestand. Doch das linderte Michels Trauer keineswegs. Ohne Abaëlard würde die Gilde nicht mehr dieselbe sein, und sein kauziger Witz, seine Klugheit und seine Warmherzigkeit würden ihm schmerzlich fehlen. Am schlimmsten war für Michel, dass es ihm nicht vergönnt gewesen war, sich von seinem treuen Freund zu verabschieden.
»Erzählt von seiner Beerdigung«, bat er Melville.
»Er wurde auf dem Kirchhof seiner Pfarrei bestattet. Hunderte sind gekommen – fast die halbe Stadt. Ihr wisst ja, wie beliebt er war. Der Pater hat bewegende Worte gesprochen, als die Gilde ihn zu Grabe trug. Beim Leichenschmaus hat jeder, der ihn näher kannte, Geschichten über ihn erzählt. Trotz unserer Trauer haben wir viel gelacht. Ich glaube, Abaëlard hätte das gefallen.«
Schweigend saßen sie im Schatten der Birken. Michel blickte zum wolkenlosen Himmel auf und kniff die Augen zusammen.
Was ist das nur für ein Jahr? Es muss verflucht sein.
V ARENNES -S AINT -J ACQUES
Z wei Wochen bevor Michel in Metz eintraf, kehrte Hernance Chastain nach Varennes zurück – viel früher, als Gaspard es für möglich gehalten hätte.
Seine Reise hatte von Anfang an unter einem günstigen Stern gestanden. Das Wetter war durchgängig gut gewesen, sodass seine Männer und er zügig vorangekommen waren, sogar in den Alpen. So hatten sie Venedig bereits nach fünfundzwanzig Tagen erreicht. Seine Geschäfte in der Lagunenstadt verliefen bestens, und auch während der Rückreise gab es keinerlei Schwierigkeiten. Chastain fühlte sich vom Glück geküsst.
Wie geplant hatte er seine Alaunvorräte aufgefrischt und mit dem Verkauf seiner Tuche einen Batzen Silber verdient, das letzte Viertel der Brautgabe, das ihm noch gefehlt hatte. Er tat es in die Schatulle zu den übrigen Münzen, die er bald Gaspard Caron, seinem zukünftigen Schwager, übergeben würde.
Munter pfeifend streifte er durch sein Haus und schaute überall nach dem Rechten, während seine Knechte die Alaunfässer abluden und hereintrugen. Bald
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