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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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es dazu?«
    »Den Tag im August hatten wir festgelegt, weil wir dachten, Chastain würde länger in Venedig bleiben. Aber da er jetzt schon zurück ist, gibt es keinen Grund, noch zweieinhalb Monate zu warten. Je eher unsere Familien diese Verbindung besiegeln, desto besser.«
    »Wann soll die Vermählung denn nun stattfinden?«, fragte Marie.
    »Am Mittwoch vor Fronleichnam. Das lässt uns genug Zeit für die Vorbereitungen.«
    »Wolltest du nicht Ende der Woche nach Épinal reisen?«, fragte Lutisse.
    »Ja. Ich kann dieses Geschäft leider nicht verschieben. Aber ich bin nur ein paar Tage fort. So lange müsst ihr euch eben allein um alles kümmern.«
    Isabelles Hand krampfte sich um die Stuhllehne, sie stand da und brachte kein Wort heraus.
    »Jetzt schau mich nicht an, als ginge morgen die Welt unter«, sagte Gaspard. »Was macht es schon für einen Unterschied, ob du Chastain im Juni oder im August heiratest?«
    Obwohl sie am liebsten geschrien hätte, zwang sie sich zur Ruhe. Steif sagte sie: »Hab Dank, Bruder. Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen. Darf ich mich jetzt zurückziehen?«
    »Es freut mich, dass du endlich zu würdigen weißt, was ich für dich tue. Ja, du kannst gehen. Gute Nacht, Schwester.«
    In ihrer Kammer setzte sie sich aufs Bett und versuchte nachzudenken. Es dauerte lange, bis sich die Unruhe in ihrem Innern legte und sie einen klaren Gedanken fassen konnte.
    Am Mittwoch vor Fronleichnam. Einen Tag, bevor Michel aller Voraussicht nach wieder zu Hause sein wollte. Als hätte Gaspard es geahnt.
    Möglicherweise kehrte er früher heim – bei langen Reisen konnte man die Ankunft unmöglich auf den Tag genau vorhersagen. Aber darauf durfte sie sich nicht verlassen. Sie musste handeln, bevor es zu spät war.
    Kurz darauf traf sie eine Entscheidung. Sie würde fliehen, allein, ohne Michel.
    Es war die einzige Möglichkeit, der Hochzeit mit Chastain zu entrinnen. Und die Gelegenheit war günstig. Sowie ihr Bruder nach Épinal aufgebrochen war, würde sie ihre Mitgift aus der Schreibstube stehlen, heimlich ein Pferd satteln und bei Nacht und Nebel fortreiten. Bevor Gaspard von ihrer Flucht erführe, wäre sie längst über alle Berge, und er würde sie niemals finden. Später dann würde sie Michel eine Nachricht senden, damit er wusste, wo sie sich aufhielt.
    Ich gehe nach Sélestat. Nein, besser nach Mulhouse. Von dort ist es nicht mehr weit bis Burgund.
    Sie würde sich in einer abgeschiedenen Herberge verstecken und auf Michel warten. Ihre Mitgift war so umfangreich, dass sie jahrelang davon leben konnte, wenn es sein musste. Mit dem Geld konnte sie mühelos alle Kosten der Reise bezahlen, Zimmermiete, Wegezoll, Proviant und dergleichen. Sie konnte sogar bewaffneten Geleitschutz für den Ritt durch die Vogesen anwerben.
    Es war ein wagemutiger, aber guter Plan. In den nächsten Tagen feilte sie an den Einzelheiten und versuchte, jedes mögliche Hindernis vorherzusehen. Bei der Sonntagsmesse im Dom ignorierte sie beharrlich Hernance Chastain, der schräg hinter ihr stand und sie regelrecht mit Blicken auszog. Am Abend vor Gaspards Abreise kümmerte sie sich noch liebevoller als sonst um ihre Tiere, die sie alle würde zurücklassen müssen. Der Gedanke daran brach ihr schier das Herz, und stumm verabschiedete sie sich von ihren Hunden, ihren Katzen, jedem einzelnen Kaninchen.
    Am nächsten Morgen erwachte sie beim ersten Licht des Tages. Obwohl sie nur wenige Stunden geschlafen hatte, war sie sofort hellwach. Jede Faser ihres Körpers schien zu vibrieren. Sie wusch sich, kleidete sich an und betrat eine Stunde später die Stube, wo bereits der Rest der Familie saß. Sie streifte ihren Bruder mit einem Blick. Auch er schien kaum geschlafen zu haben, doch im Gegensatz zu ihr wirkte er müde und zerschlagen.
    Während sie das Morgenbrot verzehrten, kam Ayol herein, einer der Knechte. »Sollen wir schon den Wagen beladen, Herr?«
    »Nein«, antwortete Gaspard kurz angebunden. »Die Reise fällt aus.«
    Isabelle ließ sich ihren Schrecken nicht anmerken. »Hast du nicht gesagt, du kannst dieses Geschäft nicht verschieben?«, fragte sie so beiläufig wie möglich.
    »Ich habe mich anders entschieden.« Er musterte sie stechend. »Ich weiß, das kommt deinen Plänen gar nicht gelegen.«
    Ihr war, als hätten sich soeben zwei eiskalte Klauen um ihren Hals gelegt. »Welche Pläne? Wovon redest du?«, brachte sie hervor.
    »Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, was du vorhast? Für wie einfältig

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