Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Zinsen?«
»Zwölfeinhalb von hundert Teilen pro Jahr.«
»Zwölfeinhalb?«, ächzte der Ritter. »Predigt ihr verdammten Pfaffen nicht, dass Wucherer geradewegs zur Hölle fahren? Ich gebe Euch höchstens sechs, und keinen Heller mehr.«
»Zwölfeinhalb«, beharrte Ulman. »Die Diözese ist nicht mit unerschöpflichen Reichtümern gesegnet, und weniger kann ich mir nicht erlauben. Wenn Euch das nicht passt, geht zum Geldverleiher, der verlangt zwanzig.«
De Guillory wurde derart rot vor Zorn, dass der Bischof glaubte, er werde ihn schlagen. Dann riss er sich zusammen und knurrte: »Ihr seid ein Aasgeier und Halsabschneider, Ulman, schlimmer als alle Juden und Lombarden zusammen. Ich hoffe, Ihr brennt wegen Eurer Gier eines Tages im Fegefeuer.«
»Wenn einer von uns beiden im Fegefeuer brennt, bin gewiss nicht ich das. Nehmt Ihr nun das Darlehen oder nicht? Ich habe heute noch etwas anderes zu tun, als mit Euch um Zinsen zu feilschen.«
»Ich nehme es«, sagte der Ritter gepresst. »Es ist ja nicht so, dass ich eine Wahl hätte.«
»Ausgezeichnet.« Ulman rief nach Namus, ließ sich Pergament, Feder, Tinte und Wachs bringen, schrieb einige Zeilen und versah den Bogen mit seinem Siegel. »Geht zum Domkapitel und überreicht dieses Dokument dem Propst. Er wird Euch die gewünschte Summe aushändigen. Noch einen schönen Tag, Herr de Guillory.«
»Schert Euch zum Teufel«, schnappte der Hüne und stiefelte davon.
Nachdem Aristide das Silber erhalten hatte, befahl er Berengar, seinem Sarjanten, es zu seiner Burg zu bringen und einen Trupp zusammenzustellen, der noch heute mit der Schatulle nach Nancy reiten und sie Herzog Simon übergeben solle.
Ulman, du Ausbeuter, dachte er finster, während Berengar davonritt. Verdammt sollst du sein.
Leider waren der Kreuzzug und das verfluchte Darlehen nicht seine einzigen Sorgen. Vor zwei Tagen hatte er sein Schlachtross verloren – es hatte sich bei einem Unfall verletzt, sodass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als es zu töten. Jetzt brauchte er ein neues, obwohl er sich die immensen Kosten im Grunde nicht leisten konnte. Der Gutshof, den Barbarossa ihm vor einem Jahr zugesprochen hatte, warf nicht einmal ansatzweise genug ab, um die fehlenden Zolleinnahmen zu kompensieren. Doch was sollte er tun? Ein Ritter ohne ein ausgebildetes Kriegspferd war eine jämmerliche Gestalt – ein Niemand.
Mit einem Becher Wein in der Hand lungerte er im Hof des Bischofspalastes herum, bis sich der Trubel auf dem Domplatz gelegt hatte. Sodann schwang er sich in den Sattel seines Grauschimmels und ritt mit den beiden Kriegsknechten, die Berengar und ihn nach Varennes begleitet hatten, aus der Stadt.
Sie trabten nach Norden, in Richtung Metz. Dort gab es die besten Pferdezüchter, die die vortrefflichsten Schlachtrösser feilboten. Nirgendwo sonst in Oberlothringen würde er ein Pferd finden, das seinen hohen Ansprüchen genügte.
Leider. Denn er hasste Metz.
Es war nicht die Größe der Stadt, die er verabscheute, auch nicht das enervierende Selbstbewusstsein ihrer Bürger oder die Tatsache, dass sich dort Horden geldgieriger Krämer und Kaufleute herumtrieben.
Er hasste Metz wegen des kleinen, schmutzigen und überaus gefährlichen Geheimnisses, das er seit vielen Jahren dort verbarg.
F LANDERN
N ach der Abreise der Kreuzfahrer kehrte Ruhe in Varennes ein. Graue, einförmige Tage reihten sich aneinander. Seit Jean fort war, schien ein Loch in Michels Seele zu klaffen. Im Haus war es viel stiller als früher, und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich einsam. Er brachte kaum genug Kraft für seine Arbeit auf. Meist saß er müde an seinem Schreibpult, starrte aus dem Fenster und grübelte. Mehr als einmal erwog er, die Handelsreise nach Flandern schlussendlich doch abzusagen und schon jetzt mit Isabelle fortzugehen. Hätte er nicht das Geld gebraucht, hätte er es gewiss getan. So hielt er sein Versprechen, erwarb wie vereinbart eine große Menge Salz und brach vier Tage nach Ostern mit Catherine Partenay und Charles Duval auf.
Es war ein beeindruckender Handelszug. Fünf Ochsenwagen rumpelten die Römerstraße entlang, alle schwer mit Salz beladen. Acht Söldner begleiteten sie und noch einmal so viele Knechte. Michel hatte Louis mitgenommen, denn Foulque war noch zu unerfahren für solch ein Unternehmen. Der neue Knecht blieb zu Hause und hütete mit Thérese und Matenda Haus und Hof.
Die Reise war langwierig und beschwerlich. In Brügge angekommen, nahmen sie
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