Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Vater und Herr Caron immer noch zusammen und redeten. Michel schlüpfte in seinen Leibrock und öffnete die Tür. Die Angeln knarrten; Olive wälzte sich von einer Seite auf die andere und fing wieder an zu schnarchen, dass das Bett erzitterte. Barfüßig trat er auf den dunklen Flur, huschte über den eiskalten Boden zur Tür des Saales, unter der ein schmaler Lichtstreif hindurchfiel, und presste sein Ohr an das Holz.
»… Natürlich wäre eine eigene Brücke das Beste«, erklärte Herr Caron gerade, »aber solange in der Gilde die Ministerialen das Sagen haben, wird daraus nichts. Sie wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich habe inzwischen aufgegeben, mich mit ihnen herumzustreiten. Sie haben den Bischof auf ihrer Seite – dagegen ist man machtlos.«
Schweigen schloss sich an. Michel stellte sich vor, dass die beiden Männer gerade aus ihren Weinkelchen tranken.
»Um noch einmal auf de Thessy zurückzukommen«, sagte Herr Caron. »Ich hoffe, dir ist klar, dass er nicht aufgeben wird. Heute hat er klein beigegeben, aber wie ich ihn kenne, wird er es wieder versuchen. Vielleicht nicht morgen oder nächste Woche – aber irgendwann ganz sicher.«
»Das weiß ich«, sagte Michels Vater.
»Das wird nicht einfach für euch. Er hat ein volles Jahr Zeit, euch auf sein Land zurückzuholen, und ihr könnt nicht die ganze Zeit auf der Hut sein. Vermutlich schlägt er zu, wenn ihr es am wenigsten erwartet.«
»Ich sorge schon dafür, dass er uns nicht findet.«
»Und wie? Varennes ist nicht groß. Hier kennt jeder jeden, und es spricht sich schnell herum, wenn neue Leute in der Stadt sind. Er wird erfahren, wo ihr steckt, und wehe dir, wenn du dann keinen Lohnherrn hast, der dich vor ihm beschützt.« Herr Caron zögerte. »Ich denke, es wäre am besten, ihr bleibt vorerst bei mir. Hier wärt ihr sicher, denn ich bezweifle, dass de Thessy es noch einmal wagt, sich mit mir anzulegen.«
Michel hielt den Atem an. Sag Ja , hätte er seinem Vater am liebsten zugerufen. Bitte sag Ja!
»Das geht nicht.« Seines Vaters Stimme klang wieder so steif wie heute Mittag. »Das kann ich unmöglich annehmen.«
»Vielleicht lässt du mich erst einmal ausreden, bevor du mein Angebot ausschlägst«, entgegnete Herr Caron geduldig. »Ich habe nicht die Absicht, euch umsonst in meinem Haus wohnen zu lassen. Natürlich musst du für euren Unterhalt arbeiten. Die Geschäfte gehen gut, und ich hatte ohnehin vor, einen neuen Knecht einzustellen. Du kommst mir da wie gerufen. Du bist klug, höflich und verantwortungsbewusst und an harte Arbeit gewöhnt.«
»Was wären meine Aufgaben?«, fragte Michels Vater.
»Du hilfst mir beim Auf- und Abladen der Waren, kümmerst dich um die Saumtiere und erledigst alle Arbeiten, die im Haus anfallen, Reparaturen, Füttern des Viehs und dergleichen. Außerdem Botengänge und Lieferfahrten in der Stadt und im Bistum. Du kannst doch einen Ochsenwagen lenken?«
»Natürlich.«
»Als Lohn erhältst du fünfzehn Deniers pro Woche. Das mag dir nicht viel erscheinen – aber dafür müsst ihr nichts für die Unterkunft bezahlen. Darüber hinaus bekommt ihr zwei kostenlose Mahlzeiten am Tag und einmal im Jahr neue Kleider. Bist du damit einverstanden?«
Michel klopfte das Herz bis zum Hals. Worauf wartete sein Vater?
»Ihr tut das nur, weil Ihr Mitleid mit uns habt.«
Herr Caron lachte. »Du bist unverbesserlich. Einfach unverbesserlich. Nein, ich bemitleide euch keineswegs, ganz im Gegenteil, ich bewundere deine Courage. Ich weiß nicht, ob ich an deiner Stelle den Mut aufgebracht hätte, bei Nacht und Nebel mein Heimatdorf zu verlassen und mich mit drei kleinen Kindern in die Fremde aufzumachen. Du hast mein Wort, Rémy: Ich brauche wirklich einen neuen Knecht, und du scheinst mir geeignet zu sein. Mehr steckt nicht dahinter – der heilige Jacques sei mein Zeuge. Also, was sagst du?«
Es erschien Michel wie eine Ewigkeit, bis sein Vater endlich antwortete.
»Einverstanden.«
Michel konnte sein Glück kaum fassen. Sein Wunsch hatte sich tatsächlich erfüllt – sie blieben hier! Beinahe hätte er laut losgejubelt.
»Darauf trinken wir«, sagte Herr Caron, und Michel hörte, dass er Wein nachschenkte. »Du kannst gleich morgen anfangen. Der Keller muss aufgeräumt werden, und André und Huon freuen sich sicher über ein zusätzliches Paar Hände.«
»Es ist schon spät«, sagte Michels Vater. »Ich sollte jetzt zu Bett gehen.«
»Gewiss«, erwiderte Herr Caron. »Gute Nacht, Rémy. Gott
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