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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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segne dich.«
    Als sein Vater den Stuhl zurückschob, huschte Michel zurück in die Gesindekammer, schlüpfte zu seinen Geschwistern ins Bett und stellte sich schlafend. Kurz darauf kam sein Vater herein. Michel hörte, dass er sich auszog und ins benachbarte Schlaflager stieg.
    Wir bleiben hier, dachte er wieder und wieder. Wir bleiben hier!
    Schließlich fielen ihm die Augen zu, und diesmal schlief er bis zum nächsten Morgen.
    Es war bereits hell, als er aufwachte. Trübes Winterlicht kroch durch das Fenster und fiel auf leere, aufgeschlagene Betten. Wo sind denn alle?, fragte er sich verwundert. Nur Jean und Vivienne waren noch da. Sie lagen neben ihm und schliefen tief und fest. Der Tragekorb mit ihren Sachen stand nach wie vor in einer Ecke.
    Er hörte polternde Geräusche auf dem Hof. Nackt glitt er aus dem Bett und trat ans Fenster. In der Nacht hatte es stark geschneit – im Hof und auf den Dächern der Nebengebäude lag eine frische Schneeschicht. Sein Vater und zwei andere Knechte trugen leere Kisten vom Erdgeschoss in den Hof und warfen sie auf einen Karren.
    Es war kein Traum, dachte Michel. Vater arbeitet wirklich für Herrn Caron. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht – bevor ihm auffiel, wie kalt es in der Kammer war. Zitternd klaubte er seine Kleider von der Stuhllehne und zog sich an.
    Auf einem Tischchen hatte man etwas Brot, Käse und frische Milch für sie hingestellt. Offenbar waren sein Vater und die anderen Bediensteten schon vor einer ganzen Weile aufgestanden, hatten seine Geschwister und ihn jedoch schlafen lassen. Michel fühlte sich bestens ausgeruht – mehr noch, er war voller Tatendrang. Er konnte es kaum erwarten, den Rest des Hauses zu erkunden.
    Er beschloss, Jean und Vivienne nicht zu wecken, stopfte sich etwas Brot und Käse in den Mund und verließ die Kammer.
    Im gesamten Stockwerk schien sich niemand aufzuhalten. Auch Olive war fort, wie er mit einem Blick in die Küche feststellte. Kauend schaute er aus dem Fenster am Ende des Flurs und sah, dass heute schon wieder ein Markt vor dem Dom stattfand. Dunkel erinnerte er sich, dass Herr Caron bei einem seiner Besuche in Fleury erzählt hatte, in Varennes sei jeden Tag Markt, außer an Sonntagen und Kirchenfesten.
    Und da war auch Olive. Gerade schlenderte die Köchin zwischen den Verkaufsständen entlang, einen Korb in der Hand, begutachtete gepökelten Fisch und scherzte mit den Händlern.
    »Du bist Michel aus Fleury, nicht wahr?«
    Erschrocken fuhr er herum und verschluckte sich dabei fast an seinem Brot. Vor ihm stand ein blasser Junge, so alt wie er, vielleicht ein wenig älter. Er war einen halben Kopf größer als Michel und trug Beinlinge und ein helles Wams, beides aus feinem Tuch. Sein schwarzes Haar war sauber geschnitten und gescheitelt.
    Michel nickte.
    »Ich bin Gaspard«, sagte der Junge. »Mein Vater hat gesagt, ich soll euch im Haus herumführen und euch alles zeigen, wenn ihr wach seid. Wo sind dein Bruder und deine Schwester?«
    »Sie schlafen noch.«
    »Dann führe ich eben nur dich herum. Komm mit.«
    Erst jetzt dämmerte es Michel, dass er mit Herrn Carons Sohn sprach. Neugierig folgte er dem schwarzhaarigen Jungen die Treppe hinauf.
    »Hier oben wohnen meine Eltern, meine Schwester Isabelle und ich«, erklärte Gaspard im zweiten Obergeschoss. »In der Kammer da hinten arbeitet mein Vater. Außer ihm darf niemand hinein, denn er bewahrt darin unser Geld und die Geschäftsbücher auf. Nur mich nimmt er manchmal mit, damit ich lerne, wie ein Kaufmann Geschäfte macht«, fügte Gaspard nicht ohne Stolz hinzu.
    Michel hatte nicht die leiseste Ahnung, was ein Geschäftsbuch sein könnte. Das einzige Buch, das er je gesehen hatte, war die Bibel von Vater Bruyant, der zweimal in der Woche und jeden Sonntag nach Fleury kam, um die heilige Messe zu lesen.
    »Da geht es zur Stube.« Gaspard öffnete eine Tür, hinter der sich ein behaglicher Raum mit Kamin, einem fein gearbeiteten Tisch und Truhen aus dunklem Holz befand.
    Auf dem Boden kauerte ein blondes, etwa vierjähriges Mädchen und wühlte in einer Kiste. Neben ihm saß die sandfarbene Katze.
    Gaspards Miene verfinsterte sich. »Was machst du da? Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass du meine Sachen in Ruhe lassen sollst! Wieso bist du nicht unten bei Mutter?«
    Das Mädchen, offenkundig seine Schwester, warf ihm einen mürrischen Blick zu und wühlte dann weiter in seinen Sachen, gänzlich unbeeindruckt von seinem Ärger. Gaspard stürmte in

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