Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Nacht und Nebel zu verschleppen und drei Tage lang gegen seinen Willen festzuhalten, obwohl es eure Pflicht gewesen wäre, dieses Verbrechen dem Schultheißen zu melden. Ferner habt ihr die Waffe gegen Amtsmänner des Bistums erhoben, einem Bischof der Heiligen Römischen Kirche Treue und Hilfe verweigert und tatenlos zugesehen, wie er gemordet wurde. Damit habt ihr jeglichen Beistand der christlichen Gemeinschaft verwirkt und sollt fürderhin als Ausgestoßene in der Wildnis leben. Ich belege euch mit Acht und Bann und erkläre euch für vogelfrei. Niemand darf euch Obdach, Nahrung und Hilfe gewähren. Jeder, der eurer ansichtig wird, darf euch straflos töten.«
Einige Knechte begannen zu weinen, andere beteten leise, die meisten jedoch hielten die Köpfe gesenkt und schwiegen. Als sich Johann den Kaufleuten zuwandte, die auf der rechten Seite knieten, ergriff plötzlich Gaspard Caron das Wort.
»Gestattet mir, vor diesem Gericht zu sprechen, Exzellenz.«
»Wollt Ihr Eure Schuld gestehen, um Eure Seele von dieser Last zu befreien?«, fragte der Erzbischof.
»Ich nehme alle Schuld auf mich. Bei Gott und den Erzengeln schwöre ich, dass allein ich es war, der Bischof Ulmans Entführung geplant hat. Ich habe die anderen überredet, mir zu helfen, obwohl sie dagegen waren. Ich habe sie unter Druck gesetzt und zu diesem Verbrechen gezwungen. Auch Ulmans Tod ist allein meine Schuld. Ich habe das Messer geführt, mit dem er erstochen wurde. Die anderen hatten damit nichts zu tun. Sie haben sogar versucht, mich aufzuhalten.«
Caron sprach mit fester, klarer Stimme. Als er fertig war, ging ein Raunen durch die Menge. Johann hob die Hand, woraufhin die Leute verstummten. »Ist das die Wahrheit?«, wandte er sich an die übrigen Kaufleute.
Stephan Pérouse, Hernance Chastain und Ernaut Baudouin knieten im Schnee, die Häupter gesenkt, und gaben keinen Laut von sich. Baudouins Schultern zitterten, als er leise zu schluchzen begann. Lediglich Milon Poupart, der Weinhändler, hob den Kopf und rief mit schriller Stimme: »Ja, genauso war es. Er hat uns eingeschüchtert und hinters Licht geführt. Wenn ich gewusst hätte, wo das alles hinführt, hätte ich niemals mitgemacht. Er ist ein Lügner, ein Mörder, ein verbrecherischer Lump …«
»Genug«, schnitt ihm Johann das Wort ab. Der Erzbischof beriet sich leise mit Martel und zwei Kanonisten, bevor er wieder an den Tisch trat. »Was sich an jenen drei Tagen ereignet hat«, sprach er Caron an, »war zweifellos zum größten Teil Euer Werk. Ihr habt die Tat geplant und energisch darauf gedrängt, dass sie ausgeführt wird. Allein an Euren Händen klebt Ulmans Blut. Trotzdem sind Eure Gefährten nicht gänzlich frei von Schuld. Durch ihre Mitwirkung wurde Euer Verbrechen überhaupt erst möglich. Obwohl ihre Sünden fraglos geringer sind als Eure, müssen sie mit einer angemessenen Strafe gesühnt werden.« Er wandte sich an die vier Kaufleute. »Stephan Pérouse, Hernance Chastain, Ernaut Baudouin und Milon Poupart, vor Gott und den Heiligen befinde ich euch der Verschwörung gegen die himmlische Ordnung und der Rebellion gegen die heilige Macht der Kirche schuldig. All euer Besitz, euer Vermögen und eure bewegliche Habe soll eingezogen und der Stadt Varennes-Saint-Jacques überschrieben werden. Euch, eure Familien und alle Mitglieder eurer Haushalte verbanne ich auf immer aus der Erzdiözese. Wenn ihr es wagt, jemals wieder dieses Land zu betreten, sollt ihr mit dem Tode bestraft werden, wobei ein jeder Bewohner des Erzbistums Trier das Recht hat, euch zu erschlagen.«
Abermals wurde die Menge unruhig. Niemand hatte damit gerechnet, dass Johann Milde walten lassen und Pérouses, Baudouins, Chastains und Pouparts Leben schonen würde. Vielleicht, mutmaßten manche, hatte ihn Carons Edelmut im Angesicht des sicheren Todes beeindruckt und sein Herz erweicht.
Nur Milon Poupart war mit dieser Strafe nicht einverstanden. »Ich muss protestieren, Exzellenz!«, rief der Weinhändler. »Ich habe mich von Caron losgesagt und dem Schultheißen bei der Überführung der Verbrecher geholfen. Ohne mich hätten sie sich noch tagelang in dem Schuppen versteckt und wären womöglich gar aus der Stadt geflohen. Ich habe Gnade verdient.«
»Eure Reue in Ehren, aber sie kam reichlich spät«, erwiderte der Erzbischof schneidend. »Außerdem war es nicht die Einsicht in die Schändlichkeit Eurer Tat, die Euch dazu gebracht hat, den Schultheißen aufzusuchen, sondern allein die Furcht um
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