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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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schneite es immer noch. Eiskristalle umwirbelten gut dreißig Männer, Soldaten, Knechte, Ministerialen, darunter Guibert de Brette, die Gebrüder Nemours und Jaufré Géroux, der in seinem Panzerhemd und dem Pelzmantel wie ein Feldherr aussah. Im Schnee, flankiert von zwei Lanzenträgern, kniete Gaspard, eiserne Schellen an Händen und Füßen. Als Michel aus dem Lagerschuppen trat, hob Gaspard den Kopf und starrte ihn an, ließ ihn nicht aus den Augen. Michel spürte seinen Blick, bis er das Ende der Gasse erreichte und in die Straße zur Kanalbrücke einbog.
    Gaspard wollte aufstehen, als Stephan und die anderen den Lagerschuppen verließen, doch einer der Waffenknechte legte ihm die Hand auf die Schulter. »Schön unten bleiben, Freundchen. Du stehst erst auf, wenn’s der Schultheiß dir sagt.«
    Seine Gefährten und die Knechte hatten die Arme hinter den Köpfen verschränkt. Martel, der als Letzter aus dem Schuppen kam, befahl seinen Männern, sie in Eisen zu legen.
    »Wir hatten eine Abmachung, Martel!«, rief Gaspard. »Ihr bekommt mich, dafür lasst Ihr sie gehen.«
    Der Schultheiß würdigte ihn keines Blickes. »Jetzt macht schon. Danach schafft ihr die ganze Bande zum Hungerturm.«
    »Ihr habt mir Euer Wort gegeben!«, schrie Gaspard und fuhr auf. »Ihr seid ein Lügner …« Die beiden Wächter hielten ihn fest, er bekam einen Schlag gegen den Kopf, und sie stießen ihn in den Schnee.
    »Ich habe Euch versprochen, ihr Leben zu schonen«, sagte Martel, als er zu ihm trat. »Was jetzt mit ihnen geschieht, liegt nicht in meiner Hand.«
    Der Gefangenentrupp setzte sich in Bewegung, flankiert von Stadtbütteln und Ministerialen. »Hoch mit dir«, knurrte einer der Wächter, und sie zerrten Gaspard auf die Füße.
    Die Glocken des Doms begannen zu läuten.
    Eine halbe Stunde später lag Michel in seinem Bett und spürte, wie der Mohnblumensaft zu wirken begann. Catherine hatte darauf bestanden, dass er den Trunk gegen die Schmerzen in Brust und Bein einnahm. Zuvor hatte sie ihm schwere Vorwürfe gemacht, denn Louis und sie hatten überall nach ihm gesucht.
    »Wo habt Ihr Euch überhaupt herumgetrieben?«
    »Ich war bei Gaspard. Ich dachte, ich könnte ihn zur Vernunft bringen.«
    »Ihr wusstet, dass er Ulman entführt hat?«
    »Er hatte diesen Plan schon lange. Ich musste nur zwei und zwei zusammenzählen.«
    »Das war leichtsinnig und töricht. Ihr seid noch viel zu schwach für solche Eskapaden. Davon abgesehen hättet Ihr nicht allein gehen dürfen.«
    »Ich wollte Louis nicht in Gefahr bringen – zumal es nichts geändert hätte, wenn er mitgekommen wäre. Wo ist er eigentlich?«
    »Er schläft. Die Suche nach Euch hat ihn ganz schön geschafft.« Catherine blickte ihn strafend an. »Ich habe vier Knechte. Ihr hättet nur darum bitten müssen, dass sie Euch begleiten. Ihr hättet Euch doch denken können, dass Caron und seine Kumpane Euch nicht würden gehen lassen, wenn Ihr allein dort auftaucht.«
    »Es war sicherer, Euch nicht einzuweihen.«
    »Ich hätte Martel schon nicht verraten, wo Caron sich versteckt.«
    Der Mohnsaft legte sich wie eine warme, weiche Daunendecke über seinen Verstand, er verminderte nicht nur den Schmerz, er dämpfte alle Empfindungen. Michel schloss die Augen.
    »Ich lasse Euch jetzt allein«, sagte Catherine. »Ihr solltet ein wenig schlafen, bevor später der Medicus nach Euch sieht.«
    »Was ist das für ein Gesang?«, murmelte er.
    »Die Leute ziehen zum Dom, um Ulman die letzte Ehre zu erweisen. Fast die halbe Stadt ist auf den Beinen. All die Jahre schimpfen sie auf ihn und wünschen ihm die Pest an den Hals – und jetzt weinen sie an seinem Leichnam. Alles nur, weil sie Gottes Zorn fürchten«, fügte die Kauffrau verächtlich hinzu. Sie schritt zur Tür, die just in diesem Moment aufgerissen wurde. Michel öffnete die Augen. Ein Knecht war hereingekommen.
    »Herrin! Am Flussufer ist ein Feuer ausgebrochen.«
    »Heiliger Jacques, sei uns gnädig. Wo genau?«
    »Schwer zu sagen. Vielleicht kann man vom Dach aus mehr sehen.«
    Catherine und der Hausbediente hatten kaum die Kammer verlassen, als draußen Geschrei losbrach.
    »Die Brücke! Die Brücke brennt!«
    T RIER
    V orsichtig stellte Grimald den Becher auf den Tisch und entfernte das Tuch, in den er das heiße Zinngefäß eingewickelt hatte. Erzbischof Johann legte die Schreibfeder zur Seite und schnupperte an dem Dampf, der von dem Sud aufstieg. »Salbeiaufguss?«
    »Er ist gut für Rachen, Lunge und Nase,

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