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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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langsam voran. Außerdem zog er sich wegen der Eiseskälte ein ernstes Fieber zu, das ihn in Straßburg zwei Wochen ans Bett fesselte. Nach seiner Genesung machte er sich auf nach Metz, wo er Ärger mit dem städtischen Zöllner bekam. Durch den Streit mit der Obrigkeit verlor er viel Geld, und darüber vergaß er den Brief. Als er ihn eine Woche später zufällig in seinem Gepäck fand, erinnerte er sich an sein Versprechen. Sogleich machte er einen Pilger ausfindig, der zum Grab des heiligen Jacques wollte, und bat den Mann, den Brief zuzustellen. Der Pilger tat sein Bestes, um Michel ausfindig zu machen. Ende Januar, wenige Tage vor Mariae Lichtmess, händigte er den Brief Catherine Partenay aus, die ihn Michel übergab.
    Michel kauerte in seinem Krankenbett und las ihn wie im Fieberwahn, sog Zeile für Zeile, Silbe für Silbe in sich auf. Endlich, endlich wusste er, wo Isabelle war und was man ihr angetan hatte. Obwohl sie über ihre Hochzeit nicht viele Worte verlor, spürte er, dass sie an der Seite ihres Mannes Thomasîn todunglücklich war.
    Er las den Brief fünfmal, zehnmal, schließlich saß er da und starrte auf die beiden entscheidenden Sätze.
    Ich bin schwanger, Michel. Mit deinem Kind.
    Er wurde Vater. Trotz ihrer Vorsicht, trotz Peironas Wundermittel. In seiner Seele rangen überschwängliches Glück und schwärzeste Verzweiflung miteinander, und es dauerte lange, bis er seine Stimme wiederfand.
    »Louis«, rief er. »Bring mir Pergament und Tinte. Schnell!«

Februar 1190

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    N achdem er Isabelles Brief erhalten hatte, dachte Michel tagelang: Ich muss zu ihr. Und er begann seine Reise nach Speyer zu planen. Doch als er gegenüber dem Medicus seine Absichten andeutete, machte ihm der Arzt unmissverständlich klar, dass sein Zustand eine Reise zu Fuß, zu Pferd oder per Wagen frühestens in einem oder zwei Monaten zulasse.
    »Aber die Wunde ist fast verheilt«, protestierte Michel.
    »Die Wunde ja, aber nicht die Knochenbrüche. Ihr müsst Euch noch lange schonen, sonst besteht die Gefahr, dass Ihr zum Krüppel werdet.«
    Widerwillig fügte sich Michel und verfluchte einmal mehr seine Hilflosigkeit.
    Wenigstens war er inzwischen kräftig genug, um das Haus zu verlassen. Am nächsten Morgen machte er erstmals allein einen längeren Spaziergang.
    Varennes hatte sich verändert, spürte er, während er auf seine Krücke gestützt durch die Straßen hinkte. Es schien, als hätten die schrecklichen Ereignisse der letzten Wochen den Menschen jegliche Zuversicht geraubt. Wie eh und je lebten sie ihr Leben, verrichteten ihr Tagwerk und versorgten ihre Kinder, doch all das taten sie seltsam mechanisch, ohne jede Leidenschaft.
    Hinzu kam, dass seit Johanns Rückkehr nach Trier ein Archidiakon der Erzdiözese Varennes verwaltete. Der Kirchenmann regierte Varennes mit harter Hand und ließ jeden Verstoß gegen die Ordnung drakonisch bestrafen.
    Michel beschloss, zur Brücke zu gehen, obwohl sein Herz schon beim bloßen Gedanken daran wie wild pochte.
    Wenig später stand er am Flussufer und betrachtete das Bauwerk – besser gesagt das, was noch davon übrig war. Es war nicht viel. Lediglich die Steinpfeiler ragten aus dem bleigrauen Wasser. Alles Übrige war ein Opfer der Flammen geworden.
    Gaspard hatte recht gehabt. Wir hätten sie ganz aus Stein bauen sollen, zum Teufel mit den Kosten.
    Das also war von seinen hochfliegenden Träumen übrig geblieben: ein paar rußgeschwärzte Pfeiler, an denen sich Treibgut verhakte und die bei Hochwasser zu einer Gefahr für die Flussschiffer werden würden.
    Der Spaziergang hatte ihn erschöpft, und er beschloss zurückzugehen.
    »Herr de Fleury, was für eine Überraschung. Seid Ihr also endlich auf dem Weg der Besserung? Ich dachte schon, ich sehe Euch nie wieder.«
    Es war Aristide de Guillory. Der Ritter und sein Schatten Berengar kamen die Straße entlanggeritten, allein der Teufel wusste, was sie hier zu suchen hatten.
    »Seid Ihr gekommen, um Euch an Eurem Werk zu ergötzen?«, fragte Michel barsch.
    »Mein Werk?« De Guillory biss von einem Kanten Brot ab und meinte kauend: »Wovon redet Ihr?«
    »Die Brücke, die Ihr habt niederbrennen lassen.«
    De Guillory schaute Berengar an. Der bullige Sarjant lächelte dünn.
    »Wir haben damit nichts zu tun«, erklärte der Ritter. »Das waren fehlgeleitete, verängstigte Bürger, wie Ihr sehr wohl wisst.«
    Michel schnaubte abfällig und wollte gehen. De Guillory riss sein Schlachtross am Zügel

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