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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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merkwürdige Geräusche herantrug. Er hoffte, sein Talisman und seine Gebete besaßen so fern der Heimat genügend Kraft, um die Dschinns von ihm fernzuhalten.
    Er streckte seine Beine aus und lehnte den Kopf gegen den Stein. Die Mühen der vergangenen Woche steckten ihm tief in den Gliedern – und nicht nur ihm, allen Männern des Heeres. Barbarossa gönnte ihnen deshalb zwei Tage Rast, bevor sie nach Seleukia weiterzogen. Jeans Dankbarkeit kannte keine Grenzen.
    Das vergangene Jahr gehörte zu den härtesten, aber auch zu den aufregendsten seines Lebens. Nachdem sie bei Belgrad die Donau überquert hatten, waren sie durch zahlreiche fremde Länder marschiert, die immer exotischer wurden, je weiter sie sich von der Heimat entfernten. Zahlreiche Kämpfe hatten sie dabei ausgefochten, in Serbien gegen Räuber, in Kleinasien gegen Krieger des Seldschuken-Sultans, die ständig ihre Nachhut überfallen hatten, und jedes Mal waren sie siegreich gewesen. Auch die Männer von Varennes hatten sich tapfer geschlagen, und Fabre wurde nicht müde zu beteuern, wie stolz er auf jeden Einzelnen von ihnen sei. Bisher war das Glück ihnen hold gewesen, und kein Einziger der dreißig Kreuzfahrer aus Varennes war gefallen. Jean betete jede Nacht, dass Gott und der heilige Jacques sie auch weiterhin beschützten.
    Vor den Türken hatte er inzwischen große Hochachtung, wenngleich ihre Überfälle dem Heer schwer zugesetzt hatten. Sie waren keineswegs bösartige Teufel, wie die Prediger in der Heimat immerzu behaupteten, sondern mutige und geschickte Kämpfer. Sie hingen genauso am Leben wie die Christen und verteidigten lediglich ihr Land, das Barbarossas Streitmacht wegen ihres gewaltigen Nahrungsbedarfs geradezu ausplünderte.
    Übermorgen dann würden sie nach Seleukia weitermarschieren und von dort aus durch Kilikien an der Küste des Mittelmeeres. Bis zum Heiligen Land war es nicht mehr weit – die Heerführer sagten, sie würden die Kreuzfahrerstaaten schon in zwei Wochen erreichen, wenn es nicht zu Zwischenfällen käme, die ihr Fortkommen behinderten. Nach all den Monaten in der Fremde erschien es Jean, als wäre Jerusalem, das Ziel ihrer Reise, zum Greifen nah. Er konnte es kaum erwarten, die Stadt des Heiligen Grabes endlich mit eigenen Augen zu sehen. Dort würde sich ihr Kreuzzugsgelübde erfüllen.
    Er hätte seiner Schwester Vivienne gern noch einmal geschrieben, bevor sie das Heilige Land betraten. Leider hatte er bei dem Gewaltmarsch durch das Gebirge Pergament und Griffel verloren. Vielleicht konnte er in Seleukia einen Brief schreiben und ihn am Hafen einem Schiff mitgeben, das in Richtung Frankreich oder Italien auslief. Aber vermutlich war es die Mühe nicht wert. Nachrichten, die derart unvorstellbare Entfernungen zurücklegen mussten, erreichten nur selten den Ort ihrer Bestimmung. Er konnte froh sein, wenn der Brief angekommen war, den er in Ungarn aufgegeben hatte.
    Was Michel wohl gerade macht?
    Vermutlich stritt er sich just in diesem Moment mit seinen Schwurbrüdern herum, weil er sie wieder einmal von seinen hochfliegenden Plänen überzeugen wollte. Jean lächelte, als er sich vorstellte, wie sein Bruder in der Gildehalle stand und, die Augen sprühend vor Begeisterung, eine flammende Rede hielt. Gewiss, sie waren im Zorn auseinandergegangen, doch Jeans Bitterkeit war längst verschwunden. Michel fehlte ihm. Er dachte oft an ihn und Vivienne und das kleine, beschauliche Varennes. Hoffentlich dauerte es nicht lange, die Sarazenen aus Jerusalem zu verjagen. Seine Abenteuerlust war allmählich gestillt, und er konnte nicht verhehlen, dass er Heimweh verspürte.
    Eine bittersüße Stimmung stieg beim Gedanken an seine Heimat in ihm auf. Plötzlich war ihm das riesige Heerlager mit seinem Lärm, seiner Enge und seinen stinkenden Latrinengräben zuwider, und er sehnte sich nach ein wenig Einsamkeit. Schwerfällig stand er auf und stapfte zum Rand des Felsplateaus, wo der Hang zum Flusstal des Saleph hin abfiel. Eigentlich war es den einfachen Fußsoldaten verboten, sich vom Lager zu entfernen, doch Jean scherte sich nicht darum. Er musste eben dafür sorgen, dass niemand ihn sah. Außerdem war er nicht der Einzige, der die Zeltstadt verlassen hatte. Zwei Steinwürfe von ihm entfernt saßen einige Ritter am Flussufer, kühlten ihre Füße und trieben raue Scherze mit einem armen Knappen, den sie zwangen, mit verbundenen Augen über die scharfkantigen Felsen zu balancieren. Wenn er ausrutschte und ins eiskalte

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