Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
Vom Netzwerk:
Schweinetrog.
    Isabelle dachte tagelang über diese seltsame Begegnung nach, doch sie wurde einfach nicht klug daraus. Es war nicht zu übersehen, dass sich etwas zwischen Thomasîn und ihr verändert hatte. Plötzlich redete er mit ihr, erkundigte sich nach ihren Wünschen und fragte sie sogar, ob sie ihn zum Dorf begleiten wolle.
    Heiliger Jacques, dachte sie. Er gibt sich Mühe.
    Eines Abends, als sie beim Essen saßen, machte er zum ersten Mal in ihrer Gegenwart einen Scherz. Ziel seines überraschend feinsinnigen Spotts war der feiste Domdekan von Speyer. Bevor Isabelle begriff, wie ihr geschah, musste sie lachen.
    Fing sie etwa an, ihn zu mögen?
    Zwei Tage später wollte er ein Schwein schlachten. Sie durfte es aussuchen.
    »Das da«, sagte sie.
    »Hat es auch einen Namen?«
    »Ulman.«
    »Ist das nicht …?«
    »Ja.«
    Er griff nach seiner Axt. »Na schön, Ulman, alter Freund. Ich fürchte, du bist fällig.«
    Ja, sie begann ihn zu mögen.
    Nur die Nächte gaben ihr weiterhin Rätsel auf. Kein einziges Mal rührte er sie an, nahm sie nicht einmal in den Arm.
    Wegen ihrer Schwangerschaft?
    Wie auch immer, sie hatte nichts dagegen.
    Nun, da zwischen Thomasîn und ihr eine Art Freundschaft aufkeimte, fühlte sie sich nicht mehr ganz so einsam auf dem abgelegenen Hof inmitten der verschneiten Felder. Das änderte jedoch nichts daran, dass sie sich ununterbrochen nach Michel verzehrte. Jeden Tag, jede Nacht dachte sie an ihn. Fragte sich, wie es ihm ging, was er gerade tat.
    Ob er ihren Brief bekommen hatte?
    Leider würde sie das frühestens nächste Woche erfahren, wenn Thomasîn und sie wieder nach Speyer gingen. Denn sie hatte Michel gebeten, seine Antwort nicht zu Thomasîns Hof zu schicken, sondern zur Herberge am Holzmarkt, wo sie seinen Brief abholen konnte, ohne dass ihr Gemahl es bemerkte.
    Außerdem hatte sie ihm geschrieben, dass er auf keinen Fall herkommen solle, zumindest vorerst nicht. Und doch war da die unvernünftige Hoffnung, er werde eines Tages vor der Tür stehen und sie in die Arme nehmen, allen Widerständen und Gefahren zum Trotz.
    Als sie wieder einmal am Küchenfenster stand, die weißen Hügel beobachtete und wünschte, er wäre hier, näherten sich dem Gut plötzlich zwei Reiter.
    Es waren Gaspards Knecht Ayol und ihre Mutter.
    Sie holte ihren Umhang und eilte nach draußen.
    »Isabelle, mein Liebling.« Tränen rannen über die geröteten Wangen ihrer Mutter, als sie mit Ayols Hilfe aus dem Sattel stieg und Isabelle umarmte.
    »Mutter, was ist denn?«
    »Dein Bruder … er ist … Sie haben ihn …« Maries Stimme versagte.
    In dieser Nacht fand Isabelle keinen Schlaf. Lange lag sie da und starrte in die Dunkelheit, während Thomasîn neben ihr schnaufte, bis sie sich schließlich ankleidete und im Wohnraum an den Kamin setzte, dessen Glut noch warm war.
    Gaspard, ein Mörder … aufs Rad geflochten … auf dem Schindanger verscharrt wie ein Hund.
    Sie konnte nicht um ihn trauern. Vielleicht irgendwann einmal, aber nicht jetzt. Zu lähmend war das Entsetzen, zu widersprüchlich waren ihre Gefühle ihm gegenüber. Er hatte sie behandelt wie eine Gefangene, eine Dirne, ein Stück Dreck, und doch … Auf seine eigene verquere Art hatte er immer nur das Beste gewollt: für sie, die Familie, seine Heimatstadt.
    Sie starrte in die Glut, verlor sich in ihrem rötlichen Schein. Wenigstens für ihre Mutter, Lutisse und Flori war gesorgt: Onkel Eberold erlaubte ihnen, bei ihm zu wohnen, bis Lutisse eines Tages wieder heiraten würde. Falls sie Gaspards Tod je verwand. Sie sei krank vor Trauer und Schmerz, hatte Isabelles Mutter gesagt. Sie verlasse kaum noch das Bett und esse nichts mehr, seit sie von den Ereignissen in Varennes erfahren hatte. Allein wegen Flori sei ihr Lebensmut noch nicht gänzlich erloschen.
    Was wird nun aus mir?
    Isabelle schien es, als wäre mit dem Tod ihres Bruders der letzte dünne Faden, der sie noch mit ihrem alten Leben verbunden hatte, durchtrennt worden.
    Allein.
    Und als spüre es ihre Unrast, begann sich ihr ungeborenes Kind zu regen und trat und schlug.
    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    E in Reisender zu Fuß oder per Ochsenwagen brauchte etwa acht bis neun Tage von Speyer nach Varennes. Ein geübter Reiter schaffte dieselbe Strecke sogar in sechs Tagen. Dass Isabelles Brief trotzdem gut sechs Wochen unterwegs war, lag an einer Reihe von unglücklichen Umständen.
    Der junge Kaufmann, dem sie ihre Nachricht mitgegeben hatte, kam wegen des harten Winters nur

Weitere Kostenlose Bücher