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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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wie hoch dort die Aufnahmegebühren sind.«
    »Das müssen wir in Kauf nehmen. Alles ist besser, als weiter für de Guillory und seine Leute den Prügelknaben zu spielen. Also – was sagst du? Bist du einverstanden?«
    Jean nickte. »Versuchen wir es.«
    Michel blickte wieder aus dem Fenster und betrachtete den Gefängnisturm, der sich allmählich aus dem Zwielicht der Morgendämmerung herausschälte. »Niemand wird unser Geschäft zerstören«, sagte er leise. »Das lasse ich nicht zu.«

Juli 1192

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    D er Stadtkämmerer war ein schmächtiger Mann mit dünnem Haar, der stets mit hängenden Schultern durch die Palastflure schlurfte. Meist hörte man ihn nicht kommen, sodass er plötzlich hinter einem stand und unvermittelt zu reden anfing, was Aristide de Guillory jedes Mal einen gehörigen Schrecken einjagte. Irgendetwas an diesem Kerl weckte in Aristide den Drang, ihm einen Tritt zu verpassen – vielleicht seine Angewohnheit, immerzu an den Fingernägeln zu kauen. Wahrlich ein widerwärtiger kleiner Wicht. Aber von Zahlen verstand er etwas, das musste man ihm lassen.
    »Die Zölle haben uns abermals achtzehn Pfund eingebracht«, sagte der Kämmerer, als sie den Gewölberaum im Keller des Palastes betraten, wo die eisenbeschlagenen Truhen mit den Einnahmen und Rücklagen Varennes’ standen, geschützt von massiven Steinwänden und einer festen Tür. »Die Standgebühren zweiundzwanzig, wie im Juni.« Er spähte auf sein Pergament. »Die accisa ist sogar leicht gestiegen, auf fünfundzwanzig.«
    »So viel zu Géroux’ Geschwätz, dass Steuererhöhungen den Handel schwächen«, meinte Aristide.
    »Tatsächlich sind Herrn Géroux’ Bedenken nicht gänzlich von der Hand zu weisen«, erwiderte der Kämmerer. »Mir kam zu Ohren, dass zwei Schenken in der Unterstadt schließen mussten, weil die Wirte nicht imstande waren …«
    »Die beiden?«, schnitt Aristide ihm schroff das Wort ab und deutete auf die vordersten Kisten.
    »Ja, Herr.«
    »Gib mir deinen Schlüssel.«
    Der Kämmerer nestelte nervös an seinem Gürtel herum und reichte ihm den eisernen Ring. Aristide schloss die Schatullen auf und klappte die Deckel hoch. Deniers und Sous funkelten im Schein ihrer Fackel, Hunderte davon. Wieder einmal dachte Aristide, dass Steuern eine ganz wunderbare Erfindung waren. Sein neues Lehen glich einer segensreichen Quelle, die Tag und Nacht munter sprudelte und niemals versiegte. »Wie viel steht mir zu?«
    »Einundzwanzig Pfund.«
    Nach wie vor erschien es Aristide aberwitzig, dass Varennes und seine Verwaltung jeden Monat über vierzig Pfund Silber verschlangen. Und darin waren die Baukosten für die Stadtmauer noch nicht eingerechnet – dafür verwendete das Schöffenkollegium die Gewinne aus Ulmans letzter Münzentwertung, die in den übrigen Truhen verwahrt wurden und die Aristide nicht antasten durfte. Daneben gab es eine Vielzahl weiterer Ausgaben: Brunnen, öffentliche Backöfen und Straßen mussten regelmäßig gesäubert und erneuert werden; die Stadtbüttel brauchten hin und wieder neue Waffen und Röcke; die Armenspeisung der Klöster bekam einen Zuschuss, um nur drei zu nennen. Der teuerste Posten war die Entlohnung der zahlreichen städtischen Bediensteten, die mal mehr, mal weniger sinnvollen Aufgaben nachgingen. Aristide beschloss, bei Gelegenheit die Lohnlisten zu prüfen, um den einen oder anderen überflüssigen Amtsträger hinauszuwerfen, damit am Ende des Monats mehr für ihn blieb. Wofür, bei allen neun Kreisen der Hölle, brauchte Varennes beispielsweise einen Stadtschreiber? Die wenigen Dokumente und Briefe, die gelegentlich anfielen, konnte auch sein Burgkaplan verfassen. Oder der Kämmerer, der ihm keineswegs ausgelastet erschien.
    »Zähl die Summe ab«, befahl er dem Mann, »und teil sie in zwei Haufen auf, zu sechs und zu fünfzehn Pfund. Berengar kommt das Silber später holen.«
    Der Kämmerer nahm den Finger aus dem Mund. »Gewiss, Herr.«
    Aristide überließ ihn seinen Aufgaben und stieg die Kellertreppe hinauf. Er fand Berengar im Hof des Palastes, wo er sich gerade den Bericht eines Hauptmannes der Stadtbüttel anhörte.
    »Wenn du hier fertig bist, geh hinunter zum Kämmerer«, wies er seinen Sarjanten an. »Er hat zwei Geldkatzen für dich. Die kleinere bringst du zur Burg. Die größere mit fünfzehn Silberpfund ist für den Bischof von Toul bestimmt. Zwei zuverlässige Männer sollen damit nach Toul reiten, sie Bischof Eudes aushändigen und sich den

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