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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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von hier.«

April 1199

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    K eine drei Tage nach ihrer Ankunft in Varennes bekam Michel Besuch von Charles Duval.
    Er saß gerade mit Isabelle und Rémy beim Mittagsmahl, als Louis mit dem Gildemeister hereinkam. So steif und kühl hatte Michel seinen Freund noch nie erlebt. Duval begrüßte Isabelle mit einem knappen Nicken und würdigte sie ansonsten keines Blickes.
    »Störe ich beim Essen?«
    »Wir sind gerade fertig. Kann ich Euch einen Becher Wein anbieten?«
    Duval lehnte dankend ab, was Michel beinahe noch mehr überraschte als dessen distanziertes Auftreten. Wann hatte der Gildemeister je einen köstlichen Trunk ausgeschlagen? »Gehen wir nach nebenan.«
    »Ich nehme an, Ihr wisst, warum ich hier bin«, sagte Duval, als Michel die Tür des Gesellschaftssaales schloss.
    »Helft mir auf die Sprünge.«
    »Es geht um Frau Caron – oder wie immer sie jetzt heißt. In der Stadt redet man über sie. Und über Euch.«
    »Das ist mir nicht entgangen«, sagte Michel. Natürlich hatte es sich längst in Varennes herumgesprochen, dass Isabelle wieder in der Stadt war und bei ihm wohnte, und die Gerüchteküche brodelte. Wie Isabelle prophezeit hatte, dachten die Leute auch nach zehn Jahren nicht daran, über ihre Verfehlungen hinwegzusehen. Obschon manch einer ihr glaubte, dass die Ehe mit Chastain nicht vollzogen worden war und sie deshalb für unschuldig hielt, zählte für die meisten nur, dass sie einst vor dem Sendgericht rechtskräftig verurteilt worden war. Ein Bischof hatte gesagt, sie sei eine Ehebrecherin – also war sie für die Mehrheit des Stadtvolks eine.
    »Warum habt Ihr sie hergebracht?«
    »Ihr Ehemann ist gestorben. Wenn das Trauerjahr um ist, werden wir heiraten.«
    Duval seufzte. »Michel – Ihr seid ein Mann von Stand, ein angesehenes Mitglied der Gilde, und sie …«
    »Ein ehrloses Weib, ich weiß«, erwiderte Michel bitter.
    »Sie hat sich niemals von ihrer Schande reingewaschen.«
    »Bischof Ulman hat sie damals hart bestraft. Und nachdem Chastain seinen Bund mit ihr aufgelöst hat, hat sie wieder geheiratet und viele Jahre eine gute christliche Ehe geführt. Genügt das nicht?«
    »Für mich schon. Aber nicht für das einfache Volk, und schon gar nicht für die Kirche. Auch in der Gilde regt sich Unmut. Mehrere Schwurbrüder haben mich aufgefordert, Euch ins Gewissen zu reden und Euch an Euren Gildeneid zu erinnern.«
    »Lasst mich raten«, meinte Michel. »Baffour, Nemours und d’Alsace, richtig?«
    »Ihr müsst sie verstehen. Sie sind um das Ansehen unserer Bruderschaft besorgt.«
    »Sie sind Heuchler und Philister, die gerne mit dem Finger auf andere zeigen und nur auf eine Gelegenheit warten, mich bloßzustellen.«
    Müde sank Duval auf einen Stuhl. »Ich weiß. Aber was soll ich tun? Es ist meine Pflicht, die Gilde vor Schaden zu bewahren. Und Baffour und d’Alsace sind nun einmal im Recht. Ihr habt einen christlichen Lebenswandel gelobt; dass Ihr eine ehrlose Frau unter Eurem Dach beherbergt, ist damit nicht vereinbar. Ich kann das nicht ignorieren, selbst wenn ich wollte.«
    »Was also verlangt Ihr von mir?«, fragte Michel.
    »Ordnet Eure Verhältnisse. Sucht eine Unterkunft für Isabelle, damit sie nicht länger in Eurem Haus wohnen muss. Außerdem solltet Ihr mit Bischof Mathieu reden. Gewiss weiß er Rat.«
    »Das wollte ich ohnehin tun.«
    Duval nickte und erhob sich schwerfällig. »Ich weiß, Ihr liebt diese Frau. Aber bitte lasst nicht zu, dass Eure Gefühle für sie wieder alles zerstören, was Ihr aufgebaut habt.« An der Tür wandte sich der Gildemeister noch einmal um. »Wer ist eigentlich der Junge?«
    »Rémy. Isabelles Sohn.«
    »Wer ist der Vater?«
    Isabelle und er hatten beschlossen, Rémys wahre Abstammung vorerst niemandem zu enthüllen, nicht einmal ihm selbst. Thomasîns Tod hatte ihn zutiefst verstört, und es hätte ihn nur verwirrt zu erfahren, dass in Wahrheit Michel sein Vater war. Sie würden es ihm in einigen Jahren sagen, wenn er älter wäre und seinen Schmerz verwunden hatte. »Thomasîn. Ihr verstorbener Mann«, antwortete Michel.
    »Und daran gibt es keinen Zweifel?«
    »Was soll das, Charles?«
    »Er erinnert mich an einen Jungen, der an einem Dezembertag vor vielen Jahren nach Varennes gekommen ist. Er war der Sohn eines entflohenen Leibeigenen. Rémy ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    »In Eurem Alter spielt einem das Gedächtnis mitunter einen Streich.«
    »Das mag sein. Aber auch der Name des Jungen macht

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