Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Köhler hat sie beobachtet.«
Michel saß da wie vom Donner gerührt. Es dauerte lange, bis er seine Fassung zurückerlangte. »Er war ein …«
»Ja.«
»Wieso hast du mir nie davon erzählt?«
»Ich habe ihm mein Wort gegeben, sein Geheimnis zu wahren.«
Er rupfte etwas Moos aus und zerrieb es zwischen den Fingern, während es in seinem Gesicht arbeitete. Sie konnte ihm förmlich ansehen, dass er endlich begriff, wieso Thomasîn sie seit der Hochzeitsnacht nie wieder angerührt hatte. »Allmächtiger Gott, Isabelle. Wenn ich geahnt hätte, was du durchgemacht hast.«
»Thomasîn war kein schlechter Mensch. Auf seine Weise war er immer gut zu mir. Ich hätte es schlimmer treffen können.«
Michel schwieg. Isabelle wusste, sie konnte nicht von ihm verlangen, es zu verstehen. Er hatte Thomasîn nicht gekannt, hatte niemals erlebt, wie freundlich und liebevoll er gewesen war. Er sah nur dessen Sünde, die er wie jeder Christ für abscheulich hielt.
»Verurteile ihn nicht. Das hat er nicht verdient.«
Michel schielte zu ihrem Sohn. »Rémy … er hat ihn doch nicht …«
»Nein. Das hätte er niemals getan. Er hat ihn geliebt.«
Er kniff die Lippen zusammen und vermied ihren Blick. Rémy kam zu ihm und hielt ihm eine Silbermünze hin.
»Was ist das für ein Kopf?«
»Das ist der Graf von Blois. Der König von Frankreich hat ihm das Recht verliehen, eigene Münzen für die Champagne zu prägen.« Michel öffnete seine Börse und holte zwei weitere Silberstücke heraus. »Hier, sieh mal. Das ist ein Denier aus Burgund und das einer aus Metz aus der Münze des Bischofs.«
Rémy setzte sich neben ihn und unterzog die Pfennige einer genauen Untersuchung.
»Kommt mit mir nach Varennes«, sagte Michel.
»Ich bin dort eine ehrlose Frau«, erwiderte sie.
»Das ist lange her.«
»Die Leute haben das ganz bestimmt nicht vergessen.«
»Dafür finden wir eine Lösung. Wir wenden uns an Bischof Mathieu. Er ist ein weiser Mann – er wird wissen, was zu tun ist. Gewiss kannst du dich mit einer Buße reinwaschen.«
Isabelle bezweifelte, dass es so einfach werden würde. Sie hatte schon vor langer Zeit jegliches Vertrauen in die Kirche verloren.
»Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben«, sagte Michel.
Sie fühlte dasselbe, doch sie war nicht imstande, es ihm zu sagen. Noch nicht. Zu viel Schreckliches war in den letzten Tagen geschehen.
»Heirate mich«, sagte er, als sie seine Hand ergriff.
Isabelle lächelte. Trotz allem konnte sie sich seiner Zuversicht, seinem unerschütterlichen Glauben an die Zukunft nicht entziehen. Dass sie ihn liebte, hatte viele Gründe, aber das war vielleicht der wichtigste. Zum Teufel mit den Bedenken. Sie hatte ihre Entscheidung doch längst getroffen.
»Möchtest du, dass wir mit Onkel Michel nach Varennes gehen?«, fragte sie Rémy.
Ihr Sohn nickte. »Darf ich Alice mitnehmen?«
»Natürlich.« Lächelnd streichelte sie ihm die Wange.
»Wer ist Alice?«, fragte Michel.
»Die Katze. Wenn die Söldner ihr nichts getan haben, treibt sie sich bestimmt irgendwo auf dem Hof herum.«
»Wir gehen sie holen.« Michel legte Rémy den Arm um die Schultern. »Hilfst du mir, sie zu suchen?«
»Bestimmt ist sie im Stall. Da ist sie meistens.«
Sie packten ihre Sachen und verließen den Wald. Als sie sicher waren, dass sich keine Kriegsknechte in der Nähe aufhielten, ritten sie zum Hof.
Die Männer des Gegenkönigs hatten nicht nur das Vieh gestohlen, sie hatten jedes Gebäude durchsucht und alles von Wert mitgenommen. Lediglich den Wagen hatten sie dagelassen. Michel spannte die Pferde ein und half Isabelle, Kleider, Decken und die Vorräte, die die Söldner übersehen hatten, aufzuladen.
»Da ist Alice!«, rief Rémy und lief zu der Katze, die aus der Scheune schlüpfte. Als er sie auf den Arm nahm, schnurrte sie und rieb ihren Kopf an seinem Gesicht. Michel fand einen Korb und steckte Alice hinein, wovon sie nicht eben begeistert war. Isabelle besänftigte sie mit einem Streifen Räucherschinken.
»Wir sollten fahren, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit in Speyer sind«, sagte Michel, nachdem er auf den Wagenbock geklettert war.
Isabelle hielt Alices Korb in den Armen und betrachtete das Dorf, von dem Rauch aufstieg. »Wer tut so etwas?«, fragte sie leise.
»Das ist der Krieg«, sagte Michel. »Er macht Menschen zu Bestien.«
Sie stellte den Korb auf die Pritsche, stieg zu ihm und Rémy auf den Wagenbock und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Bring uns fort
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