Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
mich stutzig. Ist das nicht ein eigenartiger Zufall, dass er so heißt wie Euer seliger Herr Vater?«
»Rémy ist ein häufiger Name in Oberlothringen.«
»Aber nicht in Deutschland.«
»Isabelle hat ihn ausgewählt. Es sollte ein Name sein, der sie an ihre Heimat erinnert.«
»So wird es wohl gewesen sein.« Duval setzte seinen Hut auf. »Gehabt Euch wohl, alter Freund. Und vergesst nicht, den Bischof aufzusuchen.«
Als Michel die Stube betrat, hatte die Küchenmagd bereits das Essen und das Geschirr abgeräumt. Rémy war unten im Hof und spielte mit der Katze; Isabelle saß am Fenster und flickte ein Kleid. Sie rammte die Nadel durch das Tuch, als wäre das Gewand verantwortlich für alles Übel der Welt und bekomme nun seine gerechte Strafe.
»Was wollte Duval?«, fragte sie.
»Mit mir reden. Über uns.«
»Deine Schwurbrüder sorgen sich um deine Ehre, nicht wahr? Sie fragen sich, wie du dich mit so einer einlassen kannst. Sag schon: Hat Duval dich aufgefordert, mich auf die Straße zu setzen?«
Wenngleich Isabelle es nicht zeigte, so spürte Michel doch, dass sie sehr unter dem Gerede in der Stadt litt. Sie verließ kaum noch das Haus. »Du musst ihn verstehen. Er tut nur seine Pflicht.«
»Seine Pflicht«, wiederholte Isabelle verächtlich. »Wieso kehrt er nicht zuerst vor der eigenen Tür? Er säuft doch immer noch wie ein Loch, oder? Ist das der christliche Lebenswandel, von dem die Gilde immer schwadroniert?«
»Auf Duval zu schimpfen, bringt uns nicht weiter. Wir sprechen mit Bischof Mathieu. Ich bin sicher, er wird uns helfen.«
»Als ob die Kirche jemals etwas für uns getan hätte.«
»Er ist nicht wie Bischof Ulman. Er ist barmherzig und klug.«
»Kirchenmänner sind entweder das eine oder das andere, niemals beides. Und alle hassen sie Frauen.«
Michel unterdrückte ein Seufzen. »Wir fahren jetzt nach Toul. Bitte versprich mir, dass du respektvoll sein wirst, wenn wir vor dem Bischof stehen. Immerhin wollen wir etwas von ihm. Vorwürfe und Beschimpfungen werden ihn uns nicht gewogen machen.«
Sie löste den Nähring vom Finger, knallte ihn auf den Tisch und pfählte die Garnrolle mit der Nadel. »Ob ich ihm meinen Respekt zeige, hängt davon ab, ob er welchen verdient.«
T OUL
D rei Tage später empfing sie Bischof Mathieu de Lorraine in seinem Palast in der Stadt Toul. Das geistige Oberhaupt von Toul und Varennes war groß, schlank und noch recht jung für einen kirchlichen Würdenträger, höchstens dreißig Jahre alt. Gepflegte Hände ragten aus den Ärmeln seiner Soutane, das sorgfältig geschnittene Haar fiel ihm bis auf die Schultern und rahmte ein weiches, schmales Gesicht ein.
»Michel de Fleury, der Kaufmann?«, sagte er, als Michel sich vorgestellt hatte. »Seid Ihr nicht der besondere Freund Eures Stadtherrn Aristide de Guillory?«
»Freundschaftlich würde ich unser Verhältnis nicht gerade nennen.«
Ein feines Lächeln umspielte de Lorraines Lippen. Es war kein Geheimnis, dass er keine Sympathie für den Ritter empfand. Immerhin war er der jüngere Bruder Ferrys II., der, wie man hörte, eine gesunde Abneigung gegen de Guillory hegte. Mit einer Geste wies er zum Garten hinter dem weitläufigen Kreuzgang, und sie schritten einen sonnigen Pfad zwischen den Kräuter- und Blumenbeeten entlang. Glücklicherweise war Isabelles Zorn während der Reise abgekühlt, und sie überließ Michel das Reden. Sie hatte sich sogar bereit erklärt, ihr Haar züchtig mit einer Haube zu bedecken.
»Nun, Herr de Fleury, was führt Euch zu mir?«
»Wir befinden uns in einer schwierigen Lage und hoffen, dass Ihr Rat wisst. Isabelle und ich wollen heiraten. Leider müssen wir zuerst ein gewichtiges Hindernis aus der Welt schaffen.«
Bischof Mathieu betrachtete Isabelles graues, hochgeschlossenes Gewand. »Du bist in Trauer, meine Tochter?«
»Mein Mann ist kürzlich gestorben.«
»Mein Beileid zu deinem Verlust.« De Lorraine bekreuzigte sich. »Aber als Witwe ist es dir selbstverständlich gestattet, wieder zu heiraten. Warte ein Jahr, verhalte dich währenddessen züchtig, und niemand kann dir verwehren, deinen Michel nach Gottes Gesetz zum Mann zu nehmen.«
Isabelle hielt den Kopf gesenkt. Sie spielte die demütige Witwe ganz vortrefflich. »Das weiß ich, Exzellenz. Aber es gibt noch ein anderes Hindernis.«
De Lorraine blieb stehen, legte ihr Zeige- und Mittelfinger unter das Kinn und hob sanft ihren Kopf, damit er ihr Gesicht betrachten konnte. »Wie heißt du?«, fragte er
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