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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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ersten mit Rufen verständigte.
    »Wir brauchen ein Versteck«, keuchte Jean.
    »Ich kenne mich hier nicht aus«, gab Begon zurück. »Wir müssen zum Schmiedeviertel.«
    »Das ist zu weit. Das schaffen wir nicht.«
    Sie erreichten die Grande Rue. Da es auf dem Domplatz vor Kriegsknechten und Fackelträgern nur so wimmelte, entschied Jean kurzerhand, in Richtung Salztor zu laufen, in der Hoffnung, dass sie dem zweiten Soldatentrupp nicht geradewegs in die Arme rannten. Als sie am Kloster Notre-Dame-des-Champs vorbeikamen, hörte er leisen Gesang: Die Brüder begingen gerade die Matutin. Es war ein wahrhaft grotesker Moment. Während sie um ihr Leben rannten, saßen die Mönche weltvergessen hinter dicken Mauern und priesen den Herrn.
    »Hier hinein. Schnell!«
    Zu seiner Rechten hatte sich eine Tür geöffnet, und ein Schatten winkte sie heran. Irgendwo hinter der Gestalt brannte eine Kerze, und ihr Licht umfloss sie wie ein Heiligenschein. Eine Falle, dachte Jean zuerst, bevor ihm klar wurde, dass sie nichts zu verlieren hatten: Die Kriegsknechte waren noch höchstens einen Steinwurf entfernt.
    Jean und seine Gefährten schlüpften in das Haus. Ihr Retter schloss die Tür und legte rasch den Riegel vor.
    Es war ein Kaufmannshaus, erkannte der Schmiedemeister. Überall Kisten, Fässer, Säcke und eine Kakophonie fremdartiger Gerüche. Der Mann ergriff die Kerze und trat zu ihnen. Jetzt erst sah Jean, dass es sich um den jungen Eustache Deforest handelte, aus der Gilde.
    Deforest lächelte sie an. »Das war knapp. Schnell, hinunter mit euch in den Keller.«
    Er geleitete sie eine enge Treppe hinab und wies sie an, sich hinter den Salzfässern zu verstecken, falls die Kriegsknechte in das Haus eindrangen. Während der Kaufmann wieder nach oben eilte, setzten sich Jean und die anderen Schmiede auf die Kisten und schöpften Atem. Was für ein verteufeltes Glück sie doch hatten! Er konnte nur hoffen, dass die Weber auch davongekommen waren. Andernfalls würden ihre Brüder morgen fünf baumelnde Leichen an den Dachbalken vorfinden.
    Deforest kam zurück. »Sie sind weg. Sie dachten offenbar, ihr seid nach Süden gerannt.«
    Jean stand auf und reichte ihm die Hand. »Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll.«
    Der junge Kaufmann machte eine seltsam linkische Geste, die wohl »nicht der Rede wert« bedeutete. Er musterte die Schmiede der Reihe nach, ehe sein Blick zu Jean zurückkehrte. »Ist es wahr, dass sich die Führer der Bruderschaften im Wald verstecken?«
    So dankbar Jean diesem Mann war, hielt er es doch für klüger, nicht auf diese Frage zu antworten.
    Deforest nickte nur. »Unser Gildemeister möchte mit Euch und den anderen Oberhäuptern sprechen. Wir wären Euch sehr verbunden, wenn Ihr dies in die Wege leiten könntet.«
    Charles Duval war der Letzte, der eintraf. In Begleitung zweier bewaffneter Knechte stieg er die Treppe hinab und durchquerte den düsteren, rauchverhangenen Schankraum. »Bitte entschuldigt, dass ich so spät bin«, begrüßte er die Kaufleute. »Aber ich wurde aufgehalten. Ärger mit den Marktaufsehern.«
    Michel und die anderen rückten zusammen, damit er auf der Bank Platz nehmen konnte. Jeder Kaufmann hatte zwei oder sogar drei Knechte mitgebracht, denn dieser Tage war es gefährlich in den Gassen.
    Da saßen sie nun, an einem bierverklebten Tisch in der Schenke Les Trois Frères, wo schon so manche Verschwörung gegen die Obrigkeit ihren Anfang genommen hatte. Nur etwa die Hälfte der Schwurbrüder war gekommen, denn die übrigen weilten in Provins. Michel hatte auch Aimery Nemours zu dem Treffen eingeladen, obwohl seine Freunde dagegen gewesen waren. Doch Nemours hatte sich verändert; im Alter hatte er die Vorzüge von Vernunft und Güte für sich entdeckt und sogar bei der Wahl für Michel gestimmt. Seine wundersame Wandlung mochte auf den Tod seines bösartigen Bruders Jacques zurückzuführen sein, vielleicht auch auf den Umstand, dass die Ministerialen kaum noch Macht in Varennes hatten, weshalb Nemours sein Heil nun in der Gilde suchte. Michel hatte jedenfalls beschlossen, ihm zu vertrauen.
    »Ich nehme an, Eustache hat es euch bereits gesagt«, begann Michel. »Ich werde mich so bald wie möglich mit Caboche, Leblanc und den anderen Führern der Bruderschaften treffen. Ihr wisst, wie es um sie steht. Noch können sie sich behaupten, aber wenn kein Wunder geschieht, wird de Guillory sie bald in die Knie zwingen. Er lässt jeden Tag Leute aufhängen, heute waren es schon

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