Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
wieder zwei. Seiner Grausamkeit sind sie nicht gewachsen.«
»Ihr wollt ihnen helfen«, sagte René Albert.
Michel nickte. »Die Bruderschaften brauchen die Gilde, und wir die Bruderschaften. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen und de Guillory an den Verhandlungstisch zwingen.«
»Ich kämpfe nicht gegen de Guillory«, sagte Fromony Baffour. »Ich werde niemals eine Waffe gegen den Stadtherrn erheben oder jemanden unterstützen, der es tut.«
»Niemand redet von kämpfen. Das Blutvergießen muss so schnell wie möglich aufhören. Wir werden de Guillory mit friedlichen Mitteln schlagen.«
»Weil das das letzte Mal ja so gut geklappt hat«, meinte Albert.
»Beim letzten Mal stand die Gilde allein. Diesmal haben wir die ganze Stadt auf unserer Seite. Und die Leute werden nicht so schnell aufgeben – sie sind viel zu verzweifelt.«
»Wie wollt Ihr vorgehen?«, fragte Eustache Deforest.
»Alle Handwerker, Bauern, Tagelöhner und Kaufleute stellen die Arbeit ein. Wochenlang keine Feldarbeit, kein Handel, nichts. Folglich auch keine Steuern, Zölle und Fronabgaben für de Guillory. Es steht nicht gut um ihn – er hat kein Geld mehr und hohe Schulden bei den Lombarden von Metz. Das wird er nicht lange durchhalten. Wenn ihm der Ruin droht, muss er mit uns verhandeln.«
Lediglich Deforest schien sich für dieses Vorhaben erwärmen zu können. Die anderen blickten ihn zweifelnd an.
»Die Handwerker und Bauern werden da nicht mitmachen«, sagte Albert. »Wovon sollen sie leben, wenn sie nicht arbeiten und die Ernte nicht einbringen?«
»Meine Gemahlin hat einen Vorschlag«, sagte Michel.
Trotz der Gefahr hatte Isabelle darauf bestanden, ihn zur Unterstadt zu begleiten. Der Wirt der Trois Frères gehörte zu den vielen Menschen, die sie wegen ihrer Arbeit bei den Beginen schätzten und bewunderten, weshalb er darüber hinwegsah, dass Frauen Wirtshäuser nicht betreten durften. »Jeder von euch hat Keller und Speicher voller Korn, Pökelfleisch, Fisch, Salz, Gemüse«, sagte sie. »Stellt es dem einfachen Volk zur Verfügung, und die Leute können wochenlang ausharren, ohne zu hungern.«
»Ich soll meine Waren verschleudern, ohne auch nur einen Denier dafür zu verlangen?«, fragte Baffour ungläubig.
»Wenn Ihr etwas erreichen wollt, müsst Ihr Opfer bringen. Stellt es klug an, und es wird sich hundertfach bezahlt machen. Außerdem gewinnt Ihr auf diese Weise das Vertrauen der Bruderschaften, und sie werden Euch überallhin folgen.«
Baffour verzog den Mund. Von einer Frau belehrt zu werden gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ich wäre dabei«, sagte Aimery Nemours. »Leider hat das Vorhaben eine entscheidende Schwäche. De Guillory ist nicht auf Varennes angewiesen, zumindest, was Nahrungsmittel betrifft. Sein Rittergut versorgt ihn mit allem, was er braucht, selbst wenn ihm das Geld ausgeht. Wenn wir ihn richtig treffen wollen, müssen wir seine Hörigen für unsere Sache gewinnen.«
Das hatte Michel nicht bedacht. »Und sie überreden, auch die Arbeit einzustellen?«
»Ja. Leicht wird das nicht. Aber solange uns das nicht gelungen ist, brauchen wir alles andere gar nicht erst zu versuchen.«
»Unsere Vorräte reichen nicht, um neben den Bruderschaften auch noch de Guillorys Leibeigene zu versorgen«, gab Duval zu bedenken.
»Ich spreche mit den Beginen«, sagte Isabelle. »Sie haben ganze Keller voll mit Getreide. Wenn ich der Magistra erkläre, was unsere Absicht ist, hilft sie uns gewiss.«
»Spricht jemand gegen den Vorschlag?«, fragte Michel die Männer.
Alle gaben ihr Einverständnis, sogar Baffour, wenngleich widerwillig.
»Gut. Dann lasst uns keine Zeit verlieren«, sagte Michel. »Charles, Aimery, ihr reitet zu de Guillorys Ländereien und redet mit den Dorfältesten. Isabelle geht zu den Beginen. Eustache, René, ihr kommt mit mir zu den Führern der Bruderschaften.«
Der Wald strotzte nur so vor Leben. Überall saftiges Grün, summende Bienen und zwitschernde Vögel in den Baumwipfeln. Am frühen Morgen hatte es geregnet, an den Blättern glitzerten Tropfen wie Perlen aus Kristall, es roch nach Humus, feuchter Erde, gesundem Holz.
Deforest schob einen Ast zur Seite, und er, Albert und Michel stapften einen alten Köhlerpfad entlang, gefolgt von ihren Knechten. Michel sah dem Treffen mit den Führern der Bruderschaften gespannt entgegen. Obwohl die Lage in der Stadt schrecklich war, war sein alter, längst totgeglaubter Traum in den vergangenen Tagen zu neuem Leben erwacht. Vielleicht
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