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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Pakt.
    Noch am selben Tag öffneten Michel und die anderen Kaufleute ihre Speicher und Lagerkeller, luden alles Korn, Gemüse und Fleisch auf Karren und brachten es heimlich in die verschiedenen Stadtviertel, wo die Bruderschaften es versteckten, um es später zu verteilen. Thibaut d’Alsace, der zufällig an diesem Tag aus der Champagne zurückkehrte, weigerte sich zunächst mitzumachen. Er nannte das Vorhaben töricht; außerdem hegte er seit vielen Jahren eine tiefe persönliche Abneigung gegen Michel. Erst als Michel ihm zu verstehen gab, dass er aus der Gilde ausgeschlossen werde, wenn er seinen Schwurbrüdern nicht beistand, fügte sich d’Alsace. Fluchend wie ein Scherenschleifer gab er seinen Knechten den Befehl, die Nahrungsmittel aus Keller und Scheune zu holen.
    Etwa zur gleichen Zeit kam Isabelle mit guten Nachrichten vom Beginenhof zurück. Magistra Frédégonde, die de Guillory, »diesen sündhaften Lüstling und gottlosen Ketzer«, zutiefst verabscheute und alle Unterdrückten der Welt aus ganzem Herzen liebte, hatte sich ohne zu zögern bereit erklärt, de Guillorys Leibeigene mit Essen zu beliefern. Sogleich gab sie Pétronille den Auftrag, alles Nötige zu veranlassen.
    Nun hing alles an Duval und Nemours. Die beiden Kaufleute ließen sich Zeit. Sie schaffen es nicht, dachte Michel, als sie auch am zweiten Tag nicht zurückkehrten. Die Hörigen haben zu viel Angst vor de Guillory. Doch seine Befürchtungen waren unbegründet. Gegen Abend tauchten Duval und Nemours auf, staubig und erschöpft von dem langen Ritt durch die Hügel, und berichteten, die Leibeigenen hätten sich bereitwillig ihrer Sache angeschlossen. Natürlich hätten sie Angst, sagte Duval, aber sie seien auch zornig. Seit über fünfzehn Jahren beute de Guillory sie aus, knechte und tyrannisiere sie, und sie sehnten sich schon lange nach einer Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen.
    »Lasst uns anfangen«, sagte Michel.
    Er schickte Louis und Yves zu den Bruderschaften der Schmiede und Stadtbauern, die wiederum die anderen Schwurgemeinschaften benachrichtigten. Unbemerkt von de Guillorys Waffenknechten, Amtsleuten und Aufsehern wanderte Michels Botschaft durch Gassen, Höfe und Schenken, lautlos wie ein Schatten, wirkungsvoll wie das Miasma einer Seuche.
    Als der nächste Tag anbrach, ging niemand zur Arbeit. Die Hörigen blieben zu Hause, die Knechte, Mägde und Tagelöhner, die freien Bauern, die Schmiede, die Sarwürker und Schwertfeger, die Tischler und Zimmerleute, die Weber und Schneider, die Schuhmacher, Seiler, Dachdecker, Kürschner, Küster und Weingärtner – sie alle ließen ihr Werkzeug liegen, versammelten sich stattdessen auf den Friedhöfen ihrer Pfarreien und tranken auf die Anführer ihrer Bruderschaften, auf Michel, Herzog Simon und den heiligen Jacques.
    B URG G UILLORY
    W as soll das heißen, sie arbeiten nicht?«, fragte Aristide.
    »Sie sitzen in ihren Pfarrkirchen und saufen Bier«, sagte Berengar. »Die Handwerker, die Bauern, einfach alle. Die Kaufleute machen auch mit.«
    »Und der Markt?«
    »Wie ausgestorben.«
    »Was, bei allen Teufeln der Hölle, bezwecken sie damit?«
    »Sie wollen erst wieder arbeiten, wenn Ihr einlenkt und mit ihnen verhandelt.«
    Aristide trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Natürlich. Sie hatten begriffen, wo sie ihn treffen konnten. Wenn das Stadtvolk keinen Handel mehr trieb, entgingen ihm jeden Tag horrende Summen an Zöllen und Marktabgaben – Geld, das er dringend brauchte. Das ist de Fleurys Werk. Es trägt seine Handschrift. Er hätte sich denken können, dass sich der Gildemeister die Lage in der Stadt zunutze machen würde. »Haben sie gesagt, was sie wollen?«
    »Niedrigere Steuern und Zölle. Sitze im Schöffenkollegium und im Niedergericht und eine neue Brücke zur Saline.«
    »Das können sie vergessen.«
    Berengar stand breitbeinig da, den Helm unter den Arm geklemmt. »Soll ich sie mit Gewalt zur Arbeit treiben?«
    Natürlich war auch Aristide dieser Gedanke gekommen. Doch ein solches Vorhaben war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Varennes hatte über zweitausend Einwohner. Er brauchte eine ganze Armee, wenn er jeden einzelnen Handwerker, Bauern und Krämer zur Arbeit zwingen wollte – zumal die meisten von ihnen freie Männer und Frauen waren, die für niemanden arbeiten mussten, wenn sie nicht wollten. »Nein. Wir tun gar nichts. Sie werden diesen Mummenschanz höchstens eine Woche durchhalten. Spätestens wenn ihnen der Magen auf den Knien

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