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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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sich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Straßen herumtreibt. Wer dich, einen deiner Männer oder einen städtischen Amtsträger bedroht oder verletzt, wird an den Dachbalken seines Hauses aufgehängt. Und such die Führer der Bruderschaften. Ich will, dass sie spätestens morgen im Hungerturm sitzen.«
    Die Gestalten hinter den Zinnen waren kaum mehr als schwarze Zapfen – Jean Caboche konnte sie nur mit Mühe erkennen. Geduckt rannte er zu der vereinbarten Stelle an der Südmauer und fand auf Anhieb das Seil. Zweimal zog er daran.
    »Jean?«, rief jemand leise.
    »Ja!«
    »Halt dich fest.«
    Der Schmiedemeister umklammerte das Seil, und seine Gefährten zogen ihn zur Mauerkrone. Behände kletterte Jean über die Zinnen. Begon und die drei anderen Schmiede klopften ihm auf die Schultern.
    »Wo ist Hernaut?«
    »Sie haben ihn heute Morgen erwischt«, antwortete Begon. »Ein Armbrustbolzen. Wir wissen nicht, ob er durchkommt.«
    Jean holte tief Luft. Hernaut war sein Freund, seit vielen Jahren.
    Der Wind wehte Geräusche zu ihnen herauf, Schritte, ferne Stimmen.
    »Schnell, bevor Soldaten auftauchen«, sagte Begon.
    »Nicht da lang«, flüsterte Jean, als seine Gefährten auf dem Wehrgang in Richtung Heumarkt liefen. »Der Turmwächter.«
    »Der macht so schnell nichts mehr.« Selbst im Dunkeln sah Jean, dass Begon breit grinste.
    Nahezu lautlos rannten sie zum Turm, hasteten die Treppen hinab und tauchten in das Gewirr der Gassen südlich des Domplatzes ein. Es war still wie auf einem Friedhof. Weit und breit keine Soldaten zu sehen.
    »Da«, sagte ein jüngerer Schmied, der Jean nur bis zu den Schultern reichte, und deutete auf eine Schenke. Es dauerte einen Augenblick, bis der Schmiedemeister erkennen konnte, was sein Gefährte meinte: Von einem vorspringenden Balken neben dem Hoftor hing ein dunkler Klumpen, den er zuerst für einen Sack hielt, ehe ihm klar wurde, dass es ein Mensch war.
    »Sie hängen jetzt jeden auf, der Widerstand leistet«, knurrte Begon. »Sogar vierzehnjährige Burschen.«
    Jean schluckte hart. »Das zahlen wir ihnen heim«, flüsterte er. »Kommt, weiter!«
    Am Kanal der Unterstadt trafen sie auf eine Gruppe Weber. Die fünf Männer verbargen sich in einer Lücke zwischen zwei Hütten und winkten sie zu sich.
    »Habt ihr den Wagen?«, fragte Jean.
    »Er steht in der Gasse hinter dem Lagerschuppen«, antwortete einer der Weber. »Seid vorsichtig. Der Schuppen ist bewacht.«
    »Wie viele?«
    »Nur einer.«
    »Gut. Haltet uns den Rücken frei. Wir bringen das Korn und das Gemüse ins Schmiedeviertel und verstecken es dort. Begon verteilt es morgen.«
    Die Weber eilten davon. Als sie anfingen, bei der Kanalbrücke Krach zu schlagen, huschten Jean und seine Leute die Gasse hinauf und verbargen sich hinter der Ecke des Lagerschuppens. Der Wachposten saß auf einem Fass und hauchte sich in die Hände. Sein Helm schimmerte matt im Licht einer Fackel, die am Haus gegenüber brannte.
    Einer der Schmiede hatte schon vor Tagen eine Armbrust aufgetrieben. Begon, ihr bester Schütze, nahm die Waffe, legte einen Bolzen ein und schoss. Auf diese kurze Distanz war der Einschlag derart wuchtig, dass der Waffenknecht vom Fass gerissen wurde und zu Boden stürzte. Jean rannte mit gezücktem Messer zu ihm, um ihm den Todesstoß zu versetzen, doch der Mann regte sich schon nicht mehr.
    »Das Tor, schnell.«
    Mit Stemmeisen brachen sie die Halterung des Vorhängeschlosses aus dem Holz, sodass sich das Tor öffnen ließ. Es knarrte – viel zu laut für Jeans Geschmack.
    »Holt den Wagen«, befahl er.
    Der Lärm von der Kanalbrücke veränderte sich. Waffen klirrten. Jemand schrie vor Schmerz. Jean wusste augenblicklich, dass etwas schiefgelaufen war.
    »Weg hier!«, stieß er hervor.
    »Und das Korn?«, rief Begon.
    »Vergiss es. Jetzt kommt.«
    Am Ende der Straße flackerte orangefarbenes Licht auf. Fackeln. Schatten zuckten über die Hüttenwände, langgezogen wie gequälte Spukerscheinungen.
    »Da vorne!«, brüllte jemand.
    Jean und seine Gefährten nahmen die Beine in die Hand und hasteten durch die Gassen. Hinter ihnen stampften Stiefel und klirrten Panzerhemden. Es mussten fünf oder sechs sein, wenn nicht noch mehr. Sie hielten sich von den breiten Wegen fern, schlugen Haken, wechselten jäh die Richtung und schlüpften durch Lücken zwischen den Hütten, doch es gelang ihnen nicht, ihre Verfolger abzuschütteln. Von der Judengasse schien sich außerdem ein zweiter Trupp zu nähern, der sich mit dem

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