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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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kam. Da Rémy keinen Geburtsbrief gehabt hatte, gab es nur zwei Erklärungen: Entweder hatte Meister Rabel auf die Vorlage eines solchen verzichtet, weil Rémy ihn von seinem Talent überzeugt hatte. Oder Rémy hatte den Geburtsbrief kurzerhand gefälscht. Für einen Jungen mit seinen Fertigkeiten keine große Herausforderung.
    Rémy errötete ob des Lobes. »Meister Rabel übertreibt. Er ist der beste Buchmaler des Erzbistums. Ich werde noch Jahrzehnte brauchen, bis ich so gut bin wie er.«
    »Das will ich hoffen«, erwiderte der Meister lächelnd. »Sonst habe ich bald einen gefährlichen Rivalen.« Er öffnete eine Truhe und nahm ein kleines, in Leder gebundenes Buch heraus. »Das hat er im Frühjahr gemacht. Das erste Buch, an dem er ganz allein gearbeitet hat. Der Zuschnitt des Pergaments, die Farben, der Text, die Miniaturen – das ist alles sein Werk. Niemand hat ihm dabei geholfen.«
    Michel schlug es auf. Es war eine Sammlung von Heiligengeschichten, wie er selbst welche besaß. Mit den Fingerkuppen strich er über die herrlichen Bilder und Ranken, die den Text einrahmten. Wie hatte er nur je glauben können, es sei vernünftig, Rémy seine Leidenschaft zu verbieten und einen Kaufmann aus ihm zu machen? »Wie viel kostet es?«
    »Ihr wollt es kaufen?«, fragte der Meister.
    »Ja.«
    »Es war nur eine Übung«, sagte Rémy. »Es ist nicht zum Verkauf bestimmt. Es enthält einen Haufen Fehler.«
    »Aber es ist von dir. Also – wie viel?«
    Rabel nannte ihm einen Preis. Michel öffnete seine Börse und zählte ihm Sous und Deniers in die Hand. Der Meister legte ein Drittel des Geldes auf das Pult und drückte den Rest Rémy in die Hand. »Das ist für das Material. Der Rest soll dir gehören. Immerhin ist es deine Arbeit.«
    Der Junge betrachtete die Münzen in seiner Hand und hob den Kopf. »Danke«, murmelte er.
    »Verzeihst du deinem Vater?«, fragte Isabelle.
    Rémy kniff die Lippen zusammen. Zögernd nickte er.
    Michel schloss ihn in die Arme. »Ich bin so froh, dass es dir gutgeht.« Rémy machte sich steif, doch schließlich erwiderte er die Umarmung.
    »Er muss jetzt wieder an die Arbeit«, sagte Meister Rabel. »Wir sind ein wenig in Eile mit der Bibel.«
    »Natürlich.« Michel ließ den Jungen los. »Ich besuche dich bald wieder. Einverstanden?«
    Abermals nickte Rémy.
    »Mach nie wieder solche Dummheiten. Du hast uns zu Tode erschreckt.« Isabelle küsste ihn zum Abschied, und Michel und sie verließen die Werkstatt.
    Draußen schloss er die Augen und tat einen tiefen Atemzug. Noch einen. Und noch einen. Sie hatten noch einen weiten Weg vor sich. Aber ein Anfang war gemacht.
    »Siehst du?«, sagte Isabelle. »Es war doch gar nicht so schwer.«
    »O doch, war es. Du machst dir keine Vorstellung.«
    Sie lächelte. Hand in Hand gingen sie zur Herberge zurück.
    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    N ach einem dreitägigen Ritt erreichten Michel und Isabelle Varennes. Das erste, was ihnen auffiel, als sie die Straße in Richtung Salztor hinauftrabten, war, dass die Stadtbauern wieder auf den Feldern arbeiteten. Das zweite: Am Tor stand keine einzige Wache.
    Auf dem Domplatz erwartete sie die nächste Überraschung. Vor der Gildehalle hatten sich die Kaufleute versammelt. Bei ihnen waren ihre Knechte und gut ein Dutzend Söldner, und alle trugen sie Waffen.
    Michel schwang sich aus dem Sattel, bevor Artos richtig zum Stehen gekommen war. Charles Duval löste sich aus der Menge und eilte ihm entgegen.
    »Michel! Wo wart Ihr so lange?«
    »Was ist hier los?«
    »Wir holen Nemours, Albert und Voclain aus dem Hungerturm.«
    »Wieso sind sie im Gefängnis?«
    »De Guillory hat sie dabei erwischt, wie sie Getreide in die Stadt schmuggeln wollten.«
    Michel betrachtete die gerüsteten Männer. »Ihr wollt es auf einen Kampf ankommen lassen?«
    »Die Büttel werden keinen Widerstand leisten«, sagte Duval. »Sie haben niemanden mehr, der ihnen Befehle gibt. De Guillory war seit Tagen nicht in der Stadt und hat fast alle seine Männer abgezogen. Er scheint sich in seiner Burg zu verkriechen.«
    Le Roux kam zu ihnen und grüßte Michel mit einem Nicken. »Wir sollten gehen. Wenn die Turmwächter Wind von der Sache bekommen, machen sie womöglich Dummheiten.«
    »Abmarsch!«, rief Duval, und der dreißigköpfige Trupp setzte sich in Bewegung.
    »Geh nach Hause«, sagte Michel zu Isabelle. »Ich komme später nach.«
    »Nein. Ich bleibe bei dir.« Isabelle war abgestiegen und führte ihr Pferd an den Zügeln. Michel

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