Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
seufzte und befahl seinen Söldnern mitzukommen.
»Was hat Euer Treffen mit de Bitche ergeben?«, erkundigte sich Duval, während sie an der städtischen Münze vorbeischritten. Michel hatte ihm kurz vor seinem Aufbruch eine Nachricht zukommen lassen und ihn über den Zweck seiner Reise in Kenntnis gesetzt.
»Er hat de Guillory die Fehde erklärt. Wenn de Guillory sich ihm nicht ausliefert, will er ihn vernichten. Mit etwas Glück ist es bald vorbei, Charles.«
Duval bekreuzigte sich und blickte zum Himmel auf. »Heiliger Jacques und heiliger Nikolaus, ich danke euch.«
Die Männer stellten sich auf dem kleinen Platz östlich des Domes auf und bildeten einen Halbkreis vor dem Eingang des Hungerturmes. Michel und Duval traten vor und pochten an die Tür.
»Macht auf und übergebt uns unsere Brüder Aimery Nemours, René Albert und Girard Voclain«, rief Michel. »Euch wird kein Leid geschehen.«
Keine Antwort.
»Euer Herr liegt in Fehde mit der Familie de Bitche. Er verschanzt sich in seiner Burg und wird euch nicht helfen. Gebt auf. Was ihr tut, ist sinnlos.«
Knarrend öffnete sich die Pforte einen Spalt. Ein bärtiges Gesicht erschien, musterte Michel und Duval und spähte zu den Bewaffneten auf dem Platz.
»Liefert uns die Gefangenen aus und erspart euch und uns einen unnötigen Kampf, den ihr nur verlieren könnt«, sagte Michel.
»Wir haben nichts Unrechtes getan«, sagte der Büttel. »Wir haben nur Befehle befolgt.«
»Das weiß ich.«
»Habe ich Euer Wort als Gildemeister, dass man uns verschont?«
»Natürlich.«
Die Tür schloss sich. Michel hörte gedämpfte Stimmen. Kurz darauf öffnete sich die Pforte abermals, und Nemours, Albert, Voclain und ihre Knechte traten ins Freie. Sie waren schmutzig und müde, aber, von einigen Schrammen und Beulen abgesehen, unverletzt. Sie strahlten, als Michel und Duval sie umarmten.
Die Menge auf dem Platz brach in Jubel aus.
B URG G UILLORY
A ristide stand vor den Stallungen, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah dabei zu, wie die Zimmerleute in der Vorburg ein Katapult montierten. Es war eine Mange, eine kleine Wurfmaschine, die Steine von der Größe eines menschlichen Schädels gut hundert Ellen weit schleudern konnte. Lieber wäre ihm eine Blide gewesen, wie die Kreuzfahrer sie im Heiligen Land gegen die Festungen der Sarazenen einsetzten. Doch keiner seiner Handwerker verstand sich darauf, eine solch komplexe Waffe zu konstruieren. Nun, die Mange würde für seine Zwecke genügen. Sie konnte fünf- bis sechsmal in der Stunde schießen und die Wiese vor dem Torhaus sowie die Straße bestreichen.
Zwei Waffenknechte schoben einen Karren mit Getreidesäcken zum vorderen Kornspeicher. »Nicht da hin«, brüllte Aristide. »In die Kernburg, verdammt noch mal!« Die Männer machten kehrt und karrten die Säcke durch das innere Tor.
Die ganze Burg glich einem summenden Bienenstock; überall wurde gearbeitet. Knechte nagelten Tierhäute auf die Holzdächer, schafften Fässer mit Wasser und Pech heran, trugen Kisten mit Steinen und Armbrustbolzen zu den Türmen. Aristide dachte nicht im Traum daran, sich Ferry zu beugen und sich dessen Gnade auszuliefern. Er würde kämpfen, obwohl er wusste, dass er einem überaus mächtigen Feind gegenüberstand. Dies war nicht zu vergleichen mit seinen Fehden gegen Nicolas de Bézenne. Ferrys Familie konnte Kräfte aufbieten, die seinen weit überlegen waren. Sie verfügte über einen nahezu unerschöpflichen Vorrat an Geld, Einfluss und kampferfahrenen Männern. In einer offenen Feldschlacht würde Ferry ihn binnen eines Wimpernschlags zerfetzen. Aristide hatte daher nur eine Chance: Er musste sich hinter diesen Mauern verschanzen und versuchen, einer Belagerung so lange zu trotzen, bis Ferrys Kampfgeist erlosch und er sich auf Verhandlungen einließ. Viele entbehrungsreiche Monate lang, wenn es sein musste. Nun zahlte es sich aus, dass er die Burg seiner Väter einst ausgebaut und befestigt hatte.
Die Arbeit an der Mange ging zügig voran. Gegen Mittag sollte das Katapult fertig sein. Aristide wies die Zimmerleute an, es so auszurichten, dass es genau zwischen den Türmen des Torhauses hindurchschießen konnte, und schritt in Richtung Kernburg.
Lange hatte er darüber nachgegrübelt, wie Ferry von Velin und Gislebert erfahren haben könnte. Zunächst hatte er Conon verdächtigt; schließlich war der Wollweber eine unzuverlässige Ratte, die den Mund nicht halten konnte. Aber auch eine Ratte, die all die Jahre
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