Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Berengar, der endlich zurückkehrte? »Wer ist es?«
Der Wächter trat an die Zinnen des Turms und spähte den Hang hinab. »Sie reiten unter dem Banner des Hauses Châtenois. Ich glaube, es ist Euer Schwager.«
»Ferry kommt?«, meinte Yolande spitz. »Das trifft sich ja ausgezeichnet. Ich habe ihm einiges zu sagen.«
Dass dieser Kerl unangekündigt hier auftauchte, konnte nichts Gutes bedeuten. Doch Aristide konnte ihn unmöglich abweisen. Er musste Ferry empfangen, ob es ihm gefiel oder nicht. Er warf den Morgenstern in die Kiste, gürtete sich sein Schwert um und befahl den Männern, mit Lanzen und Schilden in einer Reihe Aufstellung zu nehmen.
»Geht ins Haus«, sagte er zu Yolande.
»Nein. Ich begrüße meinen Bruder hier draußen.«
Eisenbeschlagene Hufe donnerten über die Zugbrücke, als Ferry der Jüngere an der Spitze einer zwanzigköpfigen Schar in die Vorburg geritten kam. Über ihren Köpfen flatterten vier Banner mit den silbernen Adlern der herzoglichen Familie. Die Männer zügelten ihre Pferde, und die Fahnen erschlafften.
Ferry machte sich nicht die Mühe, aus dem Sattel zu steigen. »De Guillory!«, brüllte er. »Hiermit erkläre ich Euch nach altem Recht die Fehde. Ihr habt drei Tage Zeit, Eure Lehen zurückzugeben, mir all Euren Besitz abzutreten, auf Knien um Verzeihung zu flehen und Euch meiner Gnade auszuliefern. Andernfalls herrscht Krieg zwischen uns.« Er zog eine Pergamentrolle hinter dem Gürtel hervor und warf sie ihm vor die Füße.
Totenstille herrschte in der Vorburg. Dann schnarrte Aristide: »Was soll dieser Unfug, Ferry? Habt Ihr endgültig den Verstand verloren?«
»Ihr habt meine Schwester entehrt und Schande über die Familie gebracht. Dafür werdet Ihr bezahlen!«
»Wovon redet er?«, fragte Yolande schneidend.
»Dein edler Gemahl war schon verheiratet, als er dich zur Frau nahm!«, schrie Ferry. »Du hast all die Jahre mit ihm in Sünde gelebt. Deine Töchter sind illegitim.«
Yolande fuhr zu ihm herum. »Ist das wahr?«
»Velin heißt das Weib«, antwortete Ferry an Aristides Stelle. »Sie ist die Tochter eines versoffenen Wollwebers aus Metz. Sogar einen Sohn hat er ihr gemacht. Der Bengel ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Aristide schluckte hart. Wieso, bei allen Geistern der Vorhölle und gehörnten Dämonen des Fegefeuers, wusste Ferry von Velin? »Das sind Lügen«, brachte er hervor. »Haltlose Unterstellungen. Glaubt ihm kein Wort.«
»Ich habe Beweise.«
Yolande stand stocksteif da. Dann, binnen eines Herzschlages, verwandelte sich ihr Gesicht in eine Grimasse des Hasses. »Du Schwein!«, schrie sie und stürzte sich auf ihn, schlug auf ihn ein, ohrfeigte ihn, kratzte mit den Fingernägeln über seine Wangen. »Du widerlicher, verlogener, gottloser Hund! Krepieren sollst du! An deiner eigenen Verderbtheit ersticken!«
Er hielt ihre Hände fest. Sie spuckte ihm ins Gesicht, trat ihm gegen das Schienbein und riss sich los.
»Drei Tage, de Guillory«, sagte Ferry. »Dann winselt Ihr um Gnade, oder Ihr seid ein toter Mann. Yolande, hol deine Töchter. Du verlässt auf der Stelle dieses gottlose Haus.«
Yolande rauschte davon.
»Ferry«, sagte Aristide. »Lasst uns das wie Ritter regeln. Fordert mich zum Zweikampf, und wir schaffen die Sache hier und jetzt aus der Welt.«
»Kein Wort mehr!«, brüllte sein Schwager. »Oder ich schneide Euch eigenhändig die Zunge heraus.«
Yolande kam zurück, an jeder Hand eine schluchzende Tochter. Magali zerrte eine Truhe, aus der Kleider quollen, hinter sich her. Derweil waren zwei von Ferrys Männern abgestiegen, hatten den Reisewagen aus der Remise geholt und zwei Pferde eingespannt. Yolande, die Mädchen und die Kammerdienerin stiegen ein, während einer der Waffenknechte auf den Wagenbock kletterte.
»Ich warte auf Euch«, sagte Ferry, trieb sein Schlachtross an und jagte durch das Tor, gefolgt von seinen Reitern und dem Wagen. Als das Stampfen der Hufe verklungen war, kündete nur noch eine Staubwolke davon, was soeben geschehen war.
Aristide hob das Pergament auf, brach das Siegel und entrollte es. Er musste sich die Nachricht nicht vorlesen lassen, um zu erfahren, was sie enthielt. In diesen Fehdebriefen stand immer dasselbe.
Er spuckte aus. »Bring mir einen Becher Wein«, befahl er einem Diener.
S ÉLESTAT
W o wohnt Meister Rabel, der Buchmaler?«, fragte Michel.
»Am Ende der Rue des Marchands«, antwortete der Wirt und deutete zum Fenster des Schankraums. »Seht Ihr die Kirche da
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