Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
kleine grauhaarige Störenfried endlich aus seiner Stadt verschwand.
Als sich Johann schweren Herzens dazu durchrang, zu Bett zu gehen, war die Matutin bereits lange vorüber. Müde und gereizt schlurfte Ulman zu seiner Kammer. O ja, er hatte wahrhaftig einen großzügigen Lohn für seine Mühen verdient. Die letzten drei Tage hatten ihm einiges abverlangt. Ein baldiger Aufstieg in der Hierarchie der Erzdiözese war das Mindeste, was er dafür erwarten konnte.
Vor seinem Gemach erwartete ihn Grimald.
»Ist es eine Trierer Sitte, niemals zu einer christlichen Zeit schlafen zu gehen?«, fragte Ulman unwirsch.
»Ich weiß, es ist schon spät, Exzellenz«, sagte der Diener verlegen, »aber ich würde Euch nicht stören, wenn es nicht wichtig wäre. Ich muss dringend mit Euch über meinen Herrn Johann sprechen.«
»Hat das nicht bis morgen Zeit?«
»Er will nach Trier zurück reiten ! Er sagt, seinem Fuß gehe es besser, aber das stimmt nicht. Ein mehrtägiger Ritt wäre Gift für seine Genesung.«
»Er kann meine Sänfte haben.«
»Das habe ich ihm auch schon vorgeschlagen. Er sagt, in der Sänfte zu reisen sei ihm zu langsam. Könnten wir Euren Reisewagen leihen?«
Ulman war der Ansicht, dass er bereits mehr als genug für Johann getan hatte. »Nein. Den brauche ich selbst.«
»Aber wenn er reitet, wird sein Fuß vielleicht brandig. Er ist nicht mehr der Jüngste. Wenn sich seine Verletzung verschlimmert, könnte ihn das töten!« Grimald machte ein Gesicht, als bräche er gleich in Tränen aus.
Ulman seufzte. »Na schön. Ich werde sehen, was ich tun kann. Vielleicht können wir ein Boot für Johann auftreiben, damit er auf der Mosel nach Hause fahren kann.«
»Ein Boot wäre ganz hervorragend! Dann könnte er seinen Fuß schonen und wäre trotzdem zügig in Trier. Ich danke Euch, Exzellenz, habt vielen Dank!«
»Lässt du mich jetzt endlich schlafen?«, knurrte Ulman.
Michel führte den Zugochsen im Schatten der Stadtmauer am Flussufer entlang, bis Jean das Salzschiff zum Anlegesteg steuern konnte. Die beiden Söldner halfen seinem Bruder, den Kahn zu vertäuen. Als sie fertig waren, band Michel den Ochsen los und führte das Tier zum Steg.
»Sollen wir hier auf Euch warten?«, fragte einer der Söldner.
»Helft uns, die Fracht auf den Wagen umzuladen«, antwortete Michel. »Danach könnt ihr etwas essen gehen. Wir werden frühestens in zwei Stunden zurück sein.«
Mit vereinten Kräften machten sie sich an die Arbeit. Die Kisten und Säcke enthielten Waren, die sie in Metz gekauft hatten: Getreide, Werkzeug, Wetzsteine und zwei Kettenhemden aus den berühmten Waffenschmieden der Handelsstadt. Um den Verkauf würde sich Isoré Le Roux kümmern, ein Kleinkrämer, mit dem schon ihr Vater zusammengearbeitet hatte. Le Roux würde die Waren auf dem Markt anbieten und bekam dafür einen Teil des Gewinns.
Wenig später war der Ochse eingespannt und die Ladung sicher auf dem Wagen verstaut. Zum Dank für ihre Hilfe gab Michel jedem Söldner einen Denier Trinkgeld.
»Sehr großzügig, Herr, habt Dank!« Die Männer schlurften davon.
Michel wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war noch nicht Mittag, aber bereits sehr heiß, und er war müde von der Reise. Während die Fahrt flussabwärts nach Metz nur zwei Tage dauerte, brauchte man für die Rückreise knapp acht, da man gegen den Strom treideln musste. »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, wandte er sich an Jean. »Bring die Waren zu Isoré. Wir treffen uns später zu Hause.«
»Wohin gehst du?«
»Ich muss etwas erledigen.«
Michel eilte zu Gaspards Haus, erkundigte sich bei einem Knecht nach seinem Freund – »Der Herr ist oben in seiner Schreibstube!« – und stieg die Treppen hinauf. Gaspard zählte gerade Silbermünzen und blickte von seinem Rechenbrett auf, als Michel die Kammer betrat.
»Du?«, sagte er verwundert und stand auf.
»Können wir reden?«
»Natürlich.«
»Unser Streit neulich Abend«, sagte Michel. »Ich bedaure, was geschehen ist. Ich bin gekommen, weil ich das aus der Welt schaffen möchte.«
»Heißt das, du hast deine Meinung geändert?«
»Nein. Ich halte eure Pläne nach wie vor für falsch. Aber darum geht es nicht. Wir hätten nicht im Zorn auseinandergehen dürfen. Das war unserer Freundschaft unwürdig.«
»Ja«, sagte Gaspard. »Dieser Streit war töricht. So sollten sich alte Freunde nicht verhalten.«
»Du zürnst mir also nicht?«
»Ich bitte dich. Hältst du mich wirklich für so nachtragend? Das ist
Weitere Kostenlose Bücher