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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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wir ihn eben dazu zwingen!«
    »Unseren Stadtherrn zwingen ? Seid Ihr von Sinnen, Caron?«
    Michel änderte seine Meinung und beschloss, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und einige Dinge zur Sprache zu bringen. Warum es aufschieben? Zwar war ihm bewusst, dass er sich damit für einen Neuling weit aus dem Fenster lehnte. Aber es war noch nie seine Stärke gewesen, um des lieben Friedens willen seinen Unmut über einen Missstand für sich zu behalten. Außerdem wollte er endlich wissen, ob die Gilde wirklich so kraft- und mutlos war, wie Gaspard immer behauptete. »Gaspard hat recht: Bischof Jean-Pierre hätte es nie gewagt, das Salzschiff eines Kaufmanns zu beschlagnahmen. Er wusste, wie wichtig der Handel für Varennes ist, und hat sich daher stets um ein gutes Verhältnis zur Gilde bemüht. Bischof Ulman dagegen scheint uns geradezu zu verachten. Zumindest drängt sich mir dieser Eindruck auf, seit ich wieder in Varennes bin.«
    »Was redet Ihr da?«, sagte Géroux. »Bischof Ulman respektiert die Gilde genauso sehr wie sein Vorgänger.«
    »Wie ihr alle wisst«, wandte sich Michel unbeeindruckt an die Schwurbrüder, »war ich die letzten drei Jahre in Mailand. Bei meiner Heimkehr vor einigen Wochen ist mir aufgefallen, dass sich so manches in unserer Stadt zum Nachteil verändert hat. Wenn ihr erlaubt, möchte ich mit euch darüber sprechen.«
    Augenblicklich gehörte ihm die gespannte Aufmerksamkeit der versammelten Schwurbrüder. Doch er spürte auch, dass noch etwas anderes in der Luft lag: ängstliches Unbehagen.
    »Da wären zum Beispiel die ständigen Münzverschlechterungen«, zählte er auf. »Die hohen Salzpreise. Die horrenden Marktgebühren. Wir alle leiden darunter. Seit ich hier bin, frage ich mich, warum die Gilde nichts dagegen unternimmt.«
    Stille folgte seinen Worten. Auch Gaspard sagte nichts, schien abzuwarten.
    »Es wäre doch in unser aller Interesse«, fuhr Michel fort, »zusammenzustehen und von Bischof Ulman zu fordern, den Handel nicht länger zu behindern. Die Gilde repräsentiert die reichsten Bürger der Stadt. Sie ist angesehen und mächtig. Und doch nutzen wir unseren Einfluss nicht, um Ulman die Stirn zu bieten. Warum?«
    »Dafür, dass wir Euch eben erst in diesem Kreis aufgenommen haben, nehmt Ihr den Mund entschieden zu voll«, brach Géroux das Schweigen. Stocksteif saß er am Kopf der Tafel, in der geballten Faust sein Messer, als wolle er jemanden niederstechen. »Wer seid Ihr, dass Ihr glaubt, Ihr könntet Euch derart dreist über diese Gemeinschaft äußern? Ein blutjunger Kaufmann, der gleich sein erstes Geschäft verpfuscht hat. Ich gebe Euch den Rat, Euch in Zurückhaltung zu üben, bis Ihr den anderen in diesem Saal an Erfahrung ebenbürtig seid.«
    »Ist meine Frage denn nicht berechtigt?«, beharrte Michel. »Oder vertritt die Gilde nicht mehr die Interessen der Kaufleute?«
    »Es ist das gottgegebene Recht Bischof Ulmans, Zölle, Salzpreise und Marktabgaben nach eigenem Ermessen festzusetzen und die Münzen zu verrufen, wenn dies dem Wohle des Bistums dient. Dass der Stadtherr diese Privilegien innehat, hat sich seit Jahrhunderten bewährt, und die Gilde achtet diese Tradition. Alles andere wäre Blasphemie und eine Störung der gottgewollten Ordnung.«
    »Was ist mit euch?«, wandte sich Michel an die übrigen Schwurbrüder. »Ihr müsst doch zugeben, dass ich recht habe.«
    De Brette, Laval und die Gebrüder Nemours starrten ihn zornig an. Baffour, d’Alsace und die meisten anderen wichen seinem Blick aus. Lediglich Catherine Partenay und Charles Duval lächelten aufmunternd, doch auch sie wagten nicht, ihm zu Hilfe zu kommen.
    »Es reicht jetzt, de Fleury.« Géroux knallte sein Messer auf den Tisch. »Ich habe Euch ausdrücklich gewarnt, keinen Ärger zu machen – und was tut Ihr? Schwingt aufrührerische Reden über unseren Bischof. Wenn Ihr nicht sofort den Mund haltet, bestrafe ich Euch mit einem Bußgeld, dass Euch Hören und Sehen vergeht.«
    »Ein Bußgeld wofür? Dass ich die Wahrheit sage?«
    »Weil Ihr den Frieden gefährdet! Aber wenn Ihr es darauf ankommen lassen wollt – bitte. Es ist Euer Geschäft, das dabei vor die Hunde geht.«
    Michel zweifelte nicht daran, dass Géroux – der genau wusste, wie es um seine Finanzen bestellt war – ohne zu zögern eine Strafe verhängen würde, die so hoch wäre, dass sie ihm das Genick bräche. Leider hatte er nach den Statuten jedes Recht dazu: Als Gildevorsteher durfte er Fehlverhalten der Schwurbrüder

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