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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Grinsen.
    »Sie nimmt ihre Aufgabe eben sehr ernst – sei ihr nicht böse.« Isabelle lächelte und hakte sich bei ihm ein. »Gehen wir besser zu ihr, bevor sie sich noch verirrt.«
    Vier Ministranten sangen das Agnus Dei , während der Priester das Brot brach. Ihre glockenhellen Stimmen hallten von den Wänden der Gildekapelle wider und erfüllten das kleine Gotteshaus bis hinauf zum Dach, wo sich der Weihrauch im Gebälk verfing.
    Der Reihe nach traten die Kaufleute an den Altar, knieten nieder und empfingen die heilige Kommunion aus der Hand des Geistlichen. Viele von ihnen waren gerade erst von der Messe in Provins zurückgekehrt, sodass die siebzehn Schwurbrüder ausnahmsweise einmal vollständig waren: Jaufré Géroux und seine Anhänger, die Ministerialen Guibert de Brette, Robert Laval und die Brüder Aimery und Jacques Nemours machten den Anfang. Danach kam der fast zahnlose Abaëlard Carbonel, ein wahrer Methusalem und vermutlich der älteste Mann Varennes’. Ihm folgten Gaspard und seine Freunde Stephan Pérouse, Raoul Vanchelle und Ernaut Baudouin. Raymond Fabre, ein reicher Schmied und Händler von Eisenwaren. Fromony Baffour und Thibaut d’Alsace. Der schöne Pierre Melville. Charles Duval und Marc Travère. Und zu guter Letzt Catherine Partenay, die einzige Frau in der Gilde, obwohl nach den Statuten eigentlich keine Frauen zugelassen waren. Da Catherine jedoch das Geschäft ihres verstorbenen Mannes überaus geschickt und erfolgreich weitergeführt hatte, hatte es niemand gewagt, ihr die Mitgliedschaft zu verwehren. Michel mochte die kleine und energische Frau sehr. Dank ihrer Klugheit, ihrer Schlagfertigkeit und ihres Humors wusste sie sich in der rauen Männerwelt des Fernhandels zu behaupten.
    Der Anstand gebot, dass Michel, der Neuling, als Letzter die Kommunion empfing. Anschließend sprach der Priester das Dankgebet und die Worte Ite, missa est, woraufhin die Messe beendet war. Nachdem jeder am Opferstock einige Münzen gespendet hatte, verließen die Kaufleute die Kirche, begleitet vom Gesang der Ministranten.
    Von dem kleinen, in einer Seitengasse des Domplatzes gelegenen Gotteshaus zogen die Schwurbrüder zur Gildehalle, strömten in den Versammlungssaal im oberen Stock und nahmen ihre Plätze an der Tafel ein. Decke und Wände des weitläufigen Raumes waren mit Darstellungen biblischer Ereignisse bemalt, damit die Kaufleute nie vergaßen, barmherzig und mildtätig zu sein und ihren Wohlstand mit den Armen zu teilen. Als alle saßen, eröffnete Géroux mit förmlichen Worten die Zusammenkunft, wie es seine Aufgabe als Gildemeister war.
    »Lasst uns nun Michel de Fleury begrüßen, den erstgeborenen Sohn unseres verstorbenen Bruders Rémy«, fuhr Géroux fort. »Er wird den Platz seines Vaters an dieser Tafel einnehmen und von nun an der Kaufmannsgilde von Varennes-Saint-Jacques angehören.«
    Michel erhob sich. Die Schwurbrüder applaudierten lautstark und riefen ihm ihre Segenswünsche zu.
    »Kommt nach vorne.«
    Michel tat, wie ihm geheißen, und legte die Hand auf die prachtvolle Bibel, die der Gildemeister neben dem Pergament mit den Statuten platziert hatte.
    »Schwörst du bei deiner Seele, die Statuten der Gilde zu befolgen und den Frieden zu achten?«, fragte Géroux ihn.
    »Ich schwöre«, antwortete Michel.
    »Schwörst du bei deiner Seele, deinen Schwurbrüdern bei Verarmung, Krankheit, Schiffbruch und anderen Unglücken beizustehen und der Toten der Gilde zu gedenken?«
    »Ich schwöre.«
    »Schwörst du außerdem, einen ehrbaren, gottgefälligen und barmherzigen Lebenswandel zu führen und regelmäßig Almosen für die Armen Gottes zu spenden?«
    »Ich schwöre.«
    »So sei es. Hiermit ernenne ich dich zum Schwurbruder der Kaufmannsgilde von Varennes-Saint-Jacques. Möge der Herr seine schützende Hand über dich und dein Haus halten und deine Geschäfte segnen.«
    Die Anwesenden brachen in donnernden Beifall aus. Es wäre ein bewegender Moment für Michel gewesen, wenn Géroux ihn nicht bohrend angestarrt hätte. Er wusste genau, was dieser Blick bedeutete – er sollte ihn an ihr Gespräch in Géroux’ Amtsstube erinnern: Wehe Euch, wenn Ihr der Gilde Scherereien macht.
    Nachdem Michel seinen Platz eingenommen hatte, begann das gemeinsame Mahl. Es gab sündhaft teuren Würzwein von der Loire. Diener trugen silberne Platten auf, schwer beladen mit gebratenem Fleisch, Fisch, gedünstetem Gemüse und fetttriefendem Brot. Michel wusste, dass sich vor der Gildehalle Bettler und

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