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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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auftat. Sie sah noch genauso aus wie in Michels Erinnerung, was daran lag, dass kaum Menschen hierherkamen. Die Holzfäller und Köhler Varennes’ arbeiteten weiter südlich, in der Umgebung der Richtstätte, wo der Wald weniger dicht war, und wer Kräuter und Beeren sammelte, wagte sich selten so weit hinein. Zwischen den Steinen plätscherte ein Bach, der einen kleinen Tümpel speiste.
    Michel steckte einen Finger in den Mund und prüfte die Windrichtung. »Komm, wir verstecken uns da drüben.« Er führte Isabelle zu einem großen Felsen, hinter dem sie sich hinknieten. »Es ist genau die richtige Tageszeit. Trotzdem werden wir etwas warten müssen. Hoffentlich wird Alice nicht ungeduldig und meldet uns vermisst, wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind.«
    »Sie ist ein gutes Mädchen – sie bringt uns schon nicht in Schwierigkeiten. Aber worauf warten wir?«, fragte Isabelle.
    »Verrate ich dir nicht. Aber es wird dir gefallen, versprochen.«
    Sie kauerten eine knappe halbe Stunde hinter dem Felsen, als plötzlich ein Knacken und Rascheln aus dem Wald drang. »Wir haben Glück«, sagte Michel. »Da kommen sie schon. Still jetzt!«
    Ein Hirsch erschien zwischen den Bäumen und trank am Tümpel. Nach und nach tauchte auch der Rest des Rudels auf, insgesamt zehn Tiere, eines schöner als das andere. Sie stillten ihren Durst, fraßen Gras und suchten zwischen den Farnwedeln nach Pilzen und Flechten. Der Leithirsch war ein beeindruckender Vierzehnender. Während er Baumrinde kaute, beobachtete er mit seinen sanften, wachsamen Augen die Lichtung.
    »Na, habe ich dir zu viel versprochen?«, flüsterte Michel.
    »Sie sind herrlich«, sagte Isabelle. Langsam stand sie auf.
    »Was machst du da? Du verscheuchst sie!«
    »Ich will zu ihnen.«
    »Isabelle, nicht! Wenn du sie erschreckst, können sie dich verletzen.«
    Sie hörte nicht auf ihn. Wie in Trance verließ sie das Versteck und schritt auf die Lichtung, setzte behutsam einen Schritt vor den anderen. Michel zog sein Messer, obwohl er wusste, dass er damit rein gar nichts würde ausrichten können, falls die Hirsche Isabelle angriffen.
    Dann geschah etwas, das er nie für möglich gehalten hätte. Das Leittier schnaubte, und für einen Moment sah es danach aus, als wolle das Rudel in den Wald fliehen. In Habachtstellung starrten die Hirsche Isabelle an, die langsam auf sie zuging. Doch sie liefen nicht davon, nicht einmal dann, als sie vor dem Leithirsch stand, etwas Gras ausrupfte und es ihm hinhielt.
    Der Hirsch schnaubte noch einmal und zuckte mit den Ohren, bevor er – Michel traute seinen Augen nicht – Isabelle aus der Hand fraß. Lächelnd rieb sie ihm über die Schnauze, und der Hirsch ließ sie gewähren. Auch die anderen Tiere ließen sich von ihr streicheln; nur zwei Hirschkühe scheuten zurück, als sie durch das Rudel ging.
    Eine ganze Weile verging auf diese Weise, bis die Hirsche schließlich weiterzogen. Isabelle blickte ihnen ergriffen nach, während sie mit dem Zwielicht des Waldes verschmolzen.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte Michel.
    »Tiere fühlen sich einfach wohl in meiner Nähe. Das ist so, seit ich klein bin. Ich weiß nicht, warum.«
    »Bei Hunden und Pferden verstehe ich das ja. Aber doch nicht bei wilden Hirschen.«
    »Du hast es doch eben gesehen«, erwiderte sie lächelnd.
    Ratlos steckte er sein Messer weg. »Es muss eine außergewöhnliche Gabe sein.«
    »Danke, dass du mich hierher mitgenommen hast«, sagte sie, als sie zu ihm trat. »Es war wundervoll, diese Tiere zu sehen.«
    »Erzähl niemandem davon. Ich möchte nicht, dass Wilderer von der Lichtung erfahren.«
    »Von mir erfährt niemand etwas. Du hast mein Wort.«
    Wieder standen sie sich schweigend gegenüber, genau wie bei ihrem letzten Treffen, als er ihr das Kruzifix gegeben hatte. Erwartungen flirrten durch die Abendluft, geheime Wünsche und stumme Botschaften. Michel blickte Isabelle in die Augen, versuchte darin zu lesen, ihre Rätsel zu ergründen. Sie will es auch, dachte er und machte einen Schritt auf sie zu.
    Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt.
    Er hob die Hand, wollte ihre Wange berühren – als eine Stimme rief: »Herrin? Wo seid Ihr? Euch ist doch nichts zugestoßen?«
    Isabelle seufzte. »Alices Sorge um mich scheint stärker gewesen zu sein als ihre Angst vor dem Wald.«
    Der magische Moment, in dem alles möglich schien, war vorüber.
    »Sagtest du nicht, sie wird uns keine Schwierigkeiten machen?«, fragte Michel mit einem schiefen

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