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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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für einen bankrotten Schwurbruder stimmen. »Dann sollten wir jetzt überlegen, wie ich es schaffe, eine Mehrheit zu bekommen«, sagte er und wandte sich an Duval. »Wie läuft die Wahl ab?«
    »Das Verfahren ist ganz einfach. Jeder Schwurbruder hat eine Stimme. Ein neuer Gildemeister braucht eine einfache Mehrheit, bei achtzehn Mitgliedern also zehn Stimmen. Stellt sich ein alter Gildemeister erneut zur Wahl, ist das Verfahren etwas anders. Dann genügt es, wenn er eine Stimme mehr als ein möglicher Herausforderer hat, mindestens aber ein Drittel. Kaiser Otto wollte auf diese Weise für Beständigkeit sorgen und verhindern, dass die Gilde zerbricht, weil sie sich nicht auf einen Vorsteher einigen kann. Dank dieser Regelung hat Géroux es in den letzten Jahren ständig geschafft, mit nur sechs oder sieben Stimmen wiedergewählt zu werden, da sich der Rest nicht auf einen Herausforderer einigen konnte.«
    »Ich bräuchte also nur eine Stimme mehr als Géroux, um zu gewinnen«, sagte Michel.
    Duval nickte. »Ein Patt reicht nicht. Bei einem Unentschieden bleibt der alte Meister im Amt.«
    »Darf ich mich selbst wählen?«
    »Natürlich. Géroux macht das immer so.«
    »Dann hätte ich jetzt mindestens fünf Stimmen. Wer hat bei den letzten Wahlen alles für Géroux gestimmt?«
    »Natürlich Laval, de Brette und die Nemours-Brüder«, erklärte Travère. »Außerdem Baffour und d’Alsace.«
    »Bleiben noch Fabre, Melville, Caron, Baudouin, Pérouse und Vanchelle«, sagte Catherine. »Es sollte nicht schwer sein, drei von ihnen zu überzeugen, für Euch zu stimmen. Ich rede mit Pierre, während wir in Troyes sind. Ich denke, ich kann ihn dazu bringen, sich uns anzuschließen.«
    »Und ich knöpfe mir Raymond vor«, verkündete Carbonel. »Der Bursche hat schon oft mit mir zusammengearbeitet. Er wird auf mich hören.«
    Michel kannte weder Pierre Melville noch Raymond Fabre sonderlich gut und vermochte daher Catherines und Carbonels Erfolgsaussichten nicht einzuschätzen. Der schöne Pierre war sehr von sich eingenommen und stand gern im Mittelpunkt. Würde er sich dazu herablassen, für einen Mann zu stimmen, der nicht Pierre Melville hieß?
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Catherine, die seine zweifelnde Miene bemerkte.
    »Glaubt ihr, dass Melville bereit sein wird, sich mir unterzuordnen? Er scheint mir eher ein Mann zu sein, der selbst gern Gildemeister wäre.«
    »Würde mich wundern«, erwiderte Travère. »Er hat sich zwar schon einmal zur Wahl gestellt, aber das ist fünf Jahre her, und seitdem hat er es nicht noch einmal versucht.«
    »Ich glaube, Ihr schätzt ihn falsch ein«, sagte Catherine. »Er mag eitel sein, aber er ist vernünftig, glaubt mir. Ich kenne ihn schon viele Jahre. Und er kann Géroux so wenig ausstehen wie wir.«
    »Wenn Ihr Caron überzeugt«, wandte sich Duval an Michel, »kann nichts mehr schiefgehen. Wenn er für Euch stimmt, tun das gewiss auch Baudouin, Pérouse und Vanchelle, und dann wäre uns der Sieg sicher.«
    Michel wünschte, er könnte einschätzen, was Gaspard von ihren Absichten halten würde. Würde er ihnen helfen? Oder würde er verärgert sein, weil Michel eigene Pläne verfolgte, statt seine zu unterstützen?
    Es wird sich zeigen.
    Er hatte sich vorgenommen, Gaspard einzuweihen, sowie sie einen tragfähigen Plan erarbeitet hatten – und das war nun der Fall.
    »Ich rede mit ihm, sobald ich aus Troyes zurück bin.«
    »Sehr gut, sehr gut«, frohlockte Carbonel. »Wenn nur schon September wäre. Ich kann es kaum erwarten, Jaufré endlich zum Teufel zu jagen.«
    Sie einigten sich darauf, drei Tage vor der Gildeversammlung erneut zusammenzukommen, um die letzten Vorbereitungen für die Wahl zu treffen.
    Kurz darauf brachte Michel seine Gäste zur Tür. Nachdem sie gegangen waren, blickte er zu Géroux’ Haus neben der städtischen Münze. In einem Fenster unter dem Dach brannte noch Licht, und im Kerzenschein regte sich ein Schatten: Géroux, der zu später Stunde in seiner Schreibstube arbeitete, Menschenleben in klingende Münze verwandelte und nicht ahnte, dass nur ein Steinwurf entfernt der Sohn eines Hörigen gerade seinen Sturz vorbereitete.
    Mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen schloss Michel die Tür und stieg die Treppe hinauf.

Juli und August 1187

    T ROYES
    I n den nächsten Tagen brachen fast alle Mitglieder der Gilde nach Troyes auf. Die meisten Schwurbrüder reisten in Gruppen, da sich auf diese Weise Warentransport und Geleitschutz besser und billiger

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