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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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wollen.«
    Im Saal war es so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören.
    »Glaubt Ihr wirklich, dass wir das schaffen könnten?«, fragte Marc Travère schließlich.
    »Ja«, antwortete Michel voller Überzeugung. »Das glaube ich.«
    Die Augen seiner Gäste leuchteten. Wo eben noch Zweifel und Kleinmut gewesen waren, spürte er nun Hoffnung und Tatendrang.
    »Wie gehen wir jetzt vor?«, fragte Duval.
    »Wann ist die nächste Zusammenkunft der Schwurbrüder?«
    »Wenn ich mich nicht irre, Anfang September, wenn alle aus Troyes zurück sind«, antwortete Catherine.
    Carbonel zog ein zerknittertes Stück Pergament aus seinem Ärmel, hielt es sich wenige Fingerbreit vors Gesicht und starrte mit zusammengekniffenen Augen darauf. »Zwei Tage vor Mariae Geburt, habe ich mir aufgeschrieben. Das stimmt doch, oder?« Travère, dem er das Pergament hinhielt, nickte.
    »In sechs Wochen also«, sagte Michel. »Gut. Das lässt uns ausreichend Zeit.«
    »Um was zu tun?«, fragte Catherine.
    »Alles dafür vorzubereiten, Géroux abzuwählen.«
    »Geht das denn so einfach?«, erkundigte sich Travère. »Die nächste Wahl ist doch erst im Mai.«
    Michel blickte Duval an, der neben Carbonel von rechtlichen Fragen am meisten verstand.
    »Der Gildemeister wird normalerweise für zwei Jahre gewählt«, erklärte dieser. »Aber die Statuten erlauben ausdrücklich, dass er vor Ablauf seiner Amtszeit abgewählt werden kann, wenn er zum Schaden der Gilde handelt – wobei es genügt, wenn ihm ein Schwurbruder das Misstrauen ausspricht.«
    »Das mache ich«, meinte Carbonel. »So eine Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.«
    »So brauchen wir nur noch jemanden, der bei der Wahl für uns antritt«, sagte Travère.
    »Es dürfte wohl klar sein, wen wir aufstellen.« Catherine blickte Michel an. »Ohne Herrn de Fleury hätten wir schließlich nie den Mut gefunden, endlich zu handeln.«
    Michel hatte damit gerechnet, dass sie diesen Vorschlag machen würde. Er bezweifelte jedoch, dass das ihrer Sache dienlich wäre. »Ich glaube nicht, dass das klug wäre. Ich bin gerade erst in die Gilde eingetreten. Gildemeister sollte ein Schwurbruder werden, der schon lange Mitglied ist, Charles oder Abaëlard.«
    »Ich war schon einmal Gildemeister – vor gut dreißig Jahren«, sagte der Alte. »Diesen Ärger tue ich mir nicht noch einmal an.«
    »Und ich bin dafür nicht geschaffen«, gab Duval unumwunden zu. »Ich bin kein besonders guter Redner. Wir brauchen aber jemanden, der andere für seine Ideen begeistern kann – einen Mann wie Euch.«
    »Aber die anderen kennen mich kaum«, sagte Michel. »Warum sollten sie mich wählen? Außerdem bin ich zu jung für solch ein Amt.«
    »Dass Ihr der Gilde noch nicht lange angehört, ist vielleicht Euer größter Vorteil«, erklärte Catherine. »Die Gilde ist ein kompliziertes Geflecht aus Freundschaften und Rivalitäten. Wir vier sind zu sehr darin verstrickt. Jeder von uns hat Gegner und Neider, die um jeden Preis verhindern würden, dass wir Gildemeister werden – selbst wenn sie dafür Géroux wählen müssten. Den anderen Schwurbrüdern geht es ähnlich. Ihr dagegen seid ein unbeschriebenes Blatt. Ihr hattet noch keine Gelegenheit, Euch Feinde zu schaffen.«.
    »Einige Schwurbrüder haben bei den letzten Wahlen ihre Stimme nur deshalb Géroux gegeben, weil sie ihn für das kleinere Übel hielten«, ergänzte Duval. »Ich bin sicher, dass sie diesmal für Euch stimmen werden.«
    »Und fang ja nicht an, dich mit deiner Jugend herauszureden«, sagte Carbonel. »Nirgendwo in den Statuten steht etwas von einem Mindestalter. Thierry Vanchelle, Raouls Urgroßvater, war gerade einmal zwei Wochen mündig, als er anno siebenunddreißig zum Gildemeister gewählt wurde. Und er hat seine Sache gut gemacht, bis ihn ein Jahr später in den Vogesen Wölfe gefressen haben, Gott hab den armen Jungen selig.«
    Michel gab sich geschlagen. Er konnte nicht große Reden schwingen und anschließend nicht bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. »Also gut. Wenn Ihr der Meinung seid, dass ich geeignet bin, dann mache ich es.«
    Catherine lächelte. »Ich bin sicher, Ihr werdet ein hervorragender Gildemeister.«
    Die anderen taten ihre Zustimmung kund. Michel hoffte, dass er ihre Erwartungen nicht enttäuschte. Denn wenn er in sechs Wochen Hilfe suchend vor die Gilde würde treten müssen, weil er keinen einzigen Sou mehr hatte, brauchte er gar nicht erst zur Wahl anzutreten. Kein Kaufmann, der bei Vernunft war, würde

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