Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
sie euch erspart bliebe. Sie bleibt euch nicht erspart, im Gegenteil, ihr bereitet ihr den Boden! Ein durchgeknallter Türke, der als 19-Jähriger im Hindukusch festgenommen wird, erhält einen Untersuchungsausschuß! Die Opposition hätte gejubelt, wäre eurer Außenminister hierüber gestürzt. Wo ist angesichts Hunderter in Stasigefängnissen entwürdigter Frauen deren Untersuchungsausschuß? Abschiebungsbedrohten Straftätern gewährt ihr Kirchenasyl, bildet in schriller Aufgebrachtheit Menschenketten, stellt Kerzen ins Fenster. Wo waren die Lichterketten, als die Taliban 1998 Zigtausende Hazaras schlachteten, als Saddam Hussein Giftgas gegen kurdische Zivilisten einsetzte? Wer verweist bei euch mahnend auf den Massenmord in Daffur? Ich frage euch das als Moslem.“
Saeed blickte Sander herausfordernd an, doch der schwieg. Der General war ein zu guter Kenner der deutschen Gemütslage, um nicht seinem Freund die Schwachstellen offenlegen zu können, die Deutschland aus seiner Sicht für den ersten Schlag prädestinierten. Saeed kam jetzt erst richtig in Fahrt: „Es ist eure Begabung, die Realität auszuklammern, wenn es um den Erhalt eurer Träume geht. Ihr schließt die Augen vor den Notwendigkeiten in der Hoffnung, sie blieben euch erspart. Ihr verhindert Industrieansiedlungen, Eisen- und Autobahntrassen, um Kammlurchen, Zauneidechsen und Hamstern Lebensräume zu sichern; gleichzeitig bejammert ihr die Arbeitslosigkeit und stöhnt über das tägliche Verkehrschaos. Dies kennzeichnet eure Profillosigkeit. Ihr seid die größten Nettozahler der EU, Deutsch ist in Europa die mit Abstand meist verbreitete Muttersprache, aber ihr verzichtet in Brüssel darauf, sie neben Englisch und Französisch zur Amtssprache zu erheben. Unterwürfigkeit hat noch nie Respekt bewirkt! Weil ihr euren überfrachteten Sozialstaat nur noch mit Krediten finanzieren könnt, werden an allen anderen Stellen die Mittel gekürzt, dies insbesondere in Bereichen der inneren und äußeren Sicherheit. So wehrt man keine Aggressoren ab! Ihr schickt eure Soldaten mit bedingt tauglicher Ausrüstung in Charterflugzeugen an Kriegsschauplätze in aller Welt, ohne sie im Falle eines Falles aus eigener Kraft in die Heimat zurückholen zu können. So wird man erpreßbar! Nirgendwo in der Welt war nach Tschernobyl die Hysterie größer als in Deutschland! Ihr beschließt den Ausstieg aus der Nukleartechnologie, aber ihr scheut euch nicht, Atomstrom von euren Nachbarn zu beziehen, aus im Vergleich zu deutschen weniger sicheren Kernkraftwerken. Es ist diese verlogene Doppelmoral, die an Hysterie grenzende Aufgeregtheit, die euch zum Ziel macht! Wo, glaubst du, wird die Hysterie wohl am größten sein, ist erst einmal das erste Trinkwasser radioaktiv verseucht? Nenne mir ein einziges Land, das euch diesbezüglich den Rang ablaufen könnte! Ich fürchte, dir wird keines einfallen.“
Sander starrte vor sich hin, kein Anzeichen von Gegenwehr. Der General beobachtete es mit skeptischem Gesichtsausdruck. Ungeduldig fuhr er fort: „Horst, du weißt selbst, wie sehr ich dein Land liebe! Aber was habt ihr aus ihm gemacht! Wenn ich noch an die 60er Jahre denke! Ich war damals Internatsschüler in Bonn. Das war zur Hochzeit des Kalten Krieges. Berliner Mauer, Kubakrise, Vietnam, Sechs-Tage-Krieg, Prager Frühling sind die Stichworte. Damals hattet ihr Kontur! Da stand das freie Deutschland – trotz ständiger Bedrohung – wie ein Fels in der Brandung. Damals hatte der Begriff ‚Freiheit‘ in eurer Gesellschaft noch einen Klang, einen Stellenwert, bis im Schlepptau der 68er euch linke Aktivisten umkrempelten. Wie wir heute wissen, zog die Stasi damals die Fäden, aber selbst das blendet ihr aus. ‚Lieber rot als tot!‘ – dieser Slogan zu Zeiten der Nachrüstung ist Synonym eurer aktuellen Gemütsverfassung geworden! Ich hör‘ es schon: ‚Lieber Scharia als Terror!‘ Und da fragst du dich allen Ernstes, warum gerade Deutschland das Ziel sei?“
General Saeed trug mit zunehmendem Engagement vor. Er hatte in Bonn als Sohn des pakistanischen Botschafters diese Ära hautnah erlebt. Die in Deutschland gesammelten Erfahrungen hatten ihn geprägt, bevor er nach dem Abitur nach Pakistan zurückkehrte, um dort seinen Militärdienst zu leisten. Er betrachtete argwöhnisch Sander, der sich noch immer zu keiner Entgegnung aufraffen konnte. Erregt fuhr er fort: „Euer Niedergang begann mit den 68ern, zunächst mit der damals losgetretenen Leistungsverweigerung:
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