Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

‚Macht kaputt, was euch kaputt macht!‘ So lautete die These einiger Querdenker, aber ihr machtet daraus eine Lebensphilosophie! Geiz ist geil, Leistung uncool, Abzocken clever – das sind die heutigen Orientierungswerte eines Volkes, das sich einmal durch Leistungsbereitschaft, Disziplin und Zurücknahme der Egoismen auszeichnete und Herausragendes leistete. Ein Volk, das für sich mehr beansprucht, als es leistet, raubt den nachfolgenden Generationen die Zukunft! Erkennt es endlich, blendet es nicht länger aus: Ihr lebt ihr auf Pump, zu Lasten eurer Nachkommen! Aber selbst dafür sorgt ihr nicht! Lieber macht ihr dreimal jährlich Urlaub, als die Last eines Kindes in Kauf zu nehmen. Ihr nennt es Last, in anderen Ländern, anderen Kulturen heißt es Kindersegen! Alsdann sei eure mit der Leistungsverweigerung einhergehende Technologiefeindlichkeit genannt, dies in einem Land, dessen Existenz in allerhöchstem Maße von Technologie abhängt! Ihr lebt nicht mehr von technischer Innovation, wie dies vor drei, vier Jahrzehnten der Fall war, sondern von der Substanz! Eure Wissenschaftler, eure Erfinder gehen ins Ausland, um eine adäquate Chance zu erhalten. Am erschreckendsten ist jedoch die Beliebigkeit eurer Einstellung zur Freiheit! Während in Prag Studenten Steine auf russische Panzer warfen, kuschelten sich die westdeutschen Kommilitonen im miefigen Plüsch eines romantisch verbrämten Wohnküchensozialismus. Das wurde hochstilisiert zum Zeichen kritischen Intellekts und gipfelte zwei Jahrzehnte später – ich sagte es bereits – in der Formel ‚Lieber rot, als tot‘. Selbst nach dem Zusammenbruch des real praktizierten Sozialismus und trotz des Anschauungsunterrichts, den ihr mehr als vier Jahrzehnte jenseits des Eisernen Vorhangs tagtäglich geboten bekamt, trauern Millionen Deutsche den ‚guten DDR-Zeiten‘ nach, wünscht sich ein Fünftel der Deutschen die Wiedererrichtung der Mauer.“
    Der General schwenkte das Cognacglas, sog den Duft des edlen Getränks in die Nase und nahm einen kleinen Schluck, den er erkennbar lange im Gaumen hielt. Sander machte keine Anzeichen, auf die wenig schmeichelnde Analyse seines Freundes zu reagieren. Er wußte, er hätte einen schlechten Stand, denn dem Grunde nach teilte er die Ansichten des Generals. Er hatte schon oft den unverhohlenen Spott ausländischer Wettbewerber zu spüren bekommen, wenn sich Deutschland wieder einmal aus ehemaligen Kernkompetenzen zurückzog und das Feld kampflos dem internationalen Wettbewerb überließ. Auch der Rückzug aus dem Großkraftwerksbau war nur eine Frage der Zeit. Er fuhr zusammen, als der General mit beinahe schneidender Stimme zum Finale ansetzte: „Ihr seid ein Volk spießiger Opportunisten geworden, denen nichts heiliger ist, als das persönliche Wohlergehen. Ihr jammert und moralisiert auf höchstem Niveau, ihr ergeht euch in selbstverleugnerischen Toleranzübungen und würdet euch bedenkenlos mit dem Teufel arrangieren, wenn es nur recht kuschelig bliebe. Ihr würdet eher die Scharia akzeptieren, als auf den Badeurlaub in Mallorca zu verzichten! Mit dieser Einstellung lädt man fundamentalistische Aggression geradezu ein! Doch es wird nicht kuschelig bleiben! Es ist eure mentale Schwäche, eure Zukunftsangst, euer Verständnis von Political Correctness, warum Deutschland als erstes Ziel auserkoren wurde, denn dort wird der mit Abstand größte Effekt erzielbar sein! Eure Politiker werden sich in endlosen Debatten aufreiben, um konkreten Entscheidungen aus dem Wege zu gehen. Am Ende werden sie in vorauseilendem Gehorsam einknicken, denn euch fehlt der Wille zur Wehrhaftigkeit. Ihr habt die Werte abendländischer Kultur längst aus den Augen verloren! Darum seid ihr das Ziel!“
    Nun reichte es Sander. Er sah auf, ihre Blicke kreuzten sich. „Muhammad, es ist genug! Scharfzüngige Analysen sind nichts als eine akademische Übung, werden sie zur falschen Zeit am verkehrten Ort vorgetragen! Sie bewegen nichts! Viel wichtiger wäre es, wenn du deine Energie der aktuellen Problematik widmetest: Wie kommen wir hier raus, ohne diesen Halunken den Hinweis zu geben, daß wir überlebten?“
    Obwohl Sanders Kritik ihn gänzlich unverblümt traf, hellte sich Saeeds Mine auf. „Heißt das, du schließt dich der Ansicht an, daß es ganz besonders im Sinne deiner Familie liegt, wenn du den Anschein aufrecht erhältst, im Berg umgekommen zu sein?“
    Sander hielt dem bohrenden Blick des Generals stand. „Genau das heißt