Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
im Dunkel des Gebäudeinnern zu verschwinden. Es herrschte gespenstische Stille. „Wohin und wie weit müssen wir?“
Cannon wies die Gasse hinunter in östliche Richtung. „Dreißig Meter reichen. Sagte Ghulam wenigstens.“ Sie hetzten die Gasse hinunter, bis sie vor einer Brotbäckerei zu stehen kamen. „Abdul! Wir sind draußen." Cannon hatte es mehr in das Mikrofon geraunt als gesprochen. Ihre Blicke richteten sich zurück zum Bürogebäude. In diesem Augenblick drang der angekündigte Warnton aus Cannons Ohrhörer. „Es geht los!“ Cannon und Bassett öffneten vorsorglich den Mund. Sie wußten, was auf sie zukommen würde. Ghulam neigte zu beeindruckenden Effekten!
Auch Bidram und Taheri starrten atemlos zu dem Gebäude hinüber, ahnten sie doch, daß hier jeden Moment die Hölle losbrechen würde. Ihre Vermutung sollte nicht enttäuscht werden. Ein greller Explosionsblitz, unmittelbar gefolgt von einem weiteren, erleuchtete einen Sekundenbruchteil die Fenster, gefolgt von zwei dumpfen Schlägen, die ihre Körper erbeben ließen. Eine entfesselte Druckwelle jagte durch Gassen und Innenhöfe, brach sich vielfältig an Mauervorsprüngen und Straßenecken. Das Gelbbraun des aus der Gosse aufwirbelnden Staubs vermischte sich mit dem Weißgrau der aus Fenstern und Türen hervorschießenden Explosionswolke, nur ein Sekundenbruchteil, dann raubte der dicht wallende Staub ihnen Sicht und Atem. Berstendes Glas brach zeitgleich aus Rahmen und Türen, zersplitterte tausendfach an gegenüberliegenden Wänden. Der Körper eines der Hunde, die sich eben noch um den Kadaver balgten, prallte mit dem vom Fell gedämpftem Geräusch splitternder Knochen gegen das Heck eines Lieferwagens. Die Eingangstür des Bürogebäudes hatte einen Teil der Laibung herausgerissen und schlug splitternd gegen die gegenüberliegende Hauswand. Die Luft schmeckte nach Pulverdampf, Lehm, Zement, Ruß, verbranntem Fleisch. Staub legte sich pelzig über Zunge und Zähne, trocknete Mund und Gaumen binnen weniger, zunehmend schwerer fallender Atemzüge.
Nur zögernd verbesserte sich die Sicht. Plötzlich sahen sie Tausende grünlicher Scheine in bizarren Bahnen über Nachbarhäusern und Innenhöfen flattern, teils schon zu Boden sinken. Bidram wurde blaß. Es waren die 100-Dollarnoten aus seinem Aluminiumkoffer! Bassett grinste bei diesem Anblick. „Daß mir keiner von euch auch nur ein Stück Papier aufhebt!“ Die unmißverständliche Warnung war an Bidram und Taheri gerichtet. In diesem Moment trauten sich erste Anwohner aus den umliegenden Häusern. Keine zehn Sekunden später waren die Gassen voller Menschen. Schreiend rannten sie hin und her, prallten aufeinander, fielen zu Boden, stiegen übereinander hinweg in unterschiedliche Richtungen, zerrten sich gegenseitig an der Kleidung, schlugen aufeinander ein – es herrschte, soweit die Augen reichten, ein schier unglaubliches Chaos. Die einen klaubten Banknoten vom Boden, die anderen sprangen in die Höhe, um nach herabtrudelnden Scheinen zu grabschen, meist vergeblich, da der unkontrollierte Flug des Geldes, zugleich das hektische Geschiebe der Massen gezieltes Fangen unmöglich machte. Um so größer war das Gewusel, hatten Scheine erst einmal den Weg in dieses Chaos gefunden. Dann herrschte unverzüglich aggressives Gegeneinander. Oft rissen vier, fünf Hände gleichzeitig an einer Banknote. Keiner wollte nachgeben, verbissen wurde gekämpft, jeder gegen jeden, bis schließlich alle nur einen wertlosen Papierfetzen ergattert hatten.
Niemand schien sich für den Grund der Explosion, den angerichteten Schaden und mögliche Opfer zu interessieren. Nicht, daß ihnen die Explosion einerlei gewesen wäre – sie hatten sie in ihrer Aufregung angesichts des unerwarteten Geldregens schlichtweg aus ihrer Wahrnehmung gelöscht. Geldgier verdrängt Neugier – wenn es eines Beweises bedurft hätte, hier wurde er in anschaulicher Weise geliefert! Starr vor ohnmächtiger Wut verfolgte Bidram das skurrile Treiben, die wohl makaberste Weise, zwei Millionen Dollar binnen weniger Sekunden zu verlieren.
„Ihr werdet vermutlich umfassend renovieren müssen.“ Bassett feixte, als er Bidram durch die Massen zurück zum Bürogebäude dirigierte. Aus der Quergasse kamen ihnen Abdul und Masood entgegen.
Abdul ließ seinen Blick über das Chaos kreisen. „Wo sind Cannon und Taheri?“
Bassett schaute sich um. Es war unmöglich, die beiden in diesem Durcheinander ausfindig zu machen. „Ich weiß es
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