Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
Satellitentelefon eingab. In nicht einmal mehr zwei Minuten würde der Amerikaner sein blaues Wunder erleben! Er wartete eine Weile, bis die Leitung stand. „Sind Sie‘s, Anis Rana?“
„Ja.“
Die an Kürze nicht zu toppende Antwort erfolgte im Flüsterton. Unwillkürlich senkte auch Kustow die Stimme. „Sind Sie schon drin?“
Mit der üblichen Satellitenverzögerung kam die Antwort leise, doch klar und deutlich über den Äther: „Natürlich! Nicht die richtige Zeit für seichtes Geschwätz. Kommen Sie zur Sache!“ Ranas Stimme klang gestreßt.
Kustow verdrängte den aufwallenden Unmut, es stand Wichtigeres auf dem Spiel. Er sprach mit leiser Stimme, jedes Wort akzentuierend, um sicher zu stellen, daß seine Botschaft am anderen Ende verstanden wurde. „Der Amerikaner ist vermutlich nicht allein, Taheri und Bidram sind tatsächlich in seiner Gewalt. Das hat er nicht allein vollbracht! Also Vorsicht! Denken Sie daran, ich will ihn lebend! Sie sind mir verantwortlich. Lassen Sie diese Verbindung stehen! Ich möchte miterleben, wie ihr‘s macht. Und ich will unmittelbar nach Abschluß der Aktion mit dem Amerikaner sprechen! Das ist ein psychologisch günstiger Moment, ich will ihn nutzen. Ende.“
Er hielt das Ohr an das Telefon gepreßt und lauschte den Geräuschen. Über die Distanz von 72.000 Kilometern hinweg drangen gedämpfte Kommandos an sein Ohr. Er hörte, wie Werkzeuge zum Einsatz kamen, Tür um Tür geöffnet wurde, der Trupp Raum um Raum nahm. Ein zufriedenes Lächeln legte sich über das Gesicht des Russen. Sein Blick glitt über das Davoser Tal, hinüber zum Jakobshorn. Nun hatten Tal und Gebirgswelt wieder ihren Charme, den er so schätzte. Er liebte diesen Platz über alles in der Welt. Der heutige Tag würde ein erfreuliches Ende nehmen. Aus Williams Sicht eher nicht ...
14. August, 15:13 Uhr Ortszeit; Nishtar Colony, Peshawar
Taheri war mit der Entscheidung Bassetts, ihn als Kurier zu nutzen, ganz und gar nicht einverstanden. In seiner Situation hätte jeder allergrößten Wert darauf gelegt, eine Begegnung mit Janus zu vermeiden, denn sicherlich würde das Desaster an der Windenstation der Sulaiman-Mine angesprochen werden. Nicht allein der Verlust an Mudschahidin würde ihm vorgeworfen, sondern vor allem das Entkommen des Russen und des Deutschen. Aus Sicht der Organisation hatte er dies zu verantworten, Janus würde es ihn spüren lassen. Bassetts Spiel könnte für ihn einen tödlichen Ausgang nehmen. Aber selbst dieses Szenario erführe eine Steigerung, würde die Organisation ihn als vermeintlichen Kollaborateur des Amerikaners an die Mudschahidin ausliefern. In diesem Falle würde er tausend schreckliche Tode sterben. Unwillkürlich faßte er sich an den Hals. Er erschrak, als seine Finger das Metall des Halsreifens berührten. Er hatte ihn vergessen. Im selben Augenblick nahm er auch das monotone Summen wieder wahr. Um den Verstand nicht zu verlieren, hatte er das nervtötende Geräusch, die hiermit signalisierte Todesgefahr, die lähmende Ausweglosigkeit seiner Situation aus seinem Bewußtsein getilgt.
Taheri wollte gerade seinen Protest zur Geltung bringen, als Cannon in das Büro stürmte. „Los, raus hier! Sofort! In anderthalb, höchstens zwei Minuten sind sie hier!“
Während Taheri im ersten Moment verwirrt schien, glaubte Bidram den Hintergrund der plötzlichen Hektik zu kennen. Ein sadistisches Grinsen ging über sein Gesicht. „Amerikaner, jetzt holen sie dich! Bevor die Sonne untergeht, werden sie dich grillen!“
Bassett reagierte kürzer angebunden, als er dies gewöhnlich in solchen Situationen tat. Er tippte mit der freien Hand auf den Sender. „Schade nur, daß du noch nicht einmal das erlebst!“ Bidram unterdrückte mit sichtlicher Mühe den Beginn eines geharnischten Fluches, als Bassett ihn grob packte und Richtung Ausgang bugsierte. „John, nimm die Tasche! Der Koffer bleibt hier!“
Cannon blickte erstaunt. „Du meinst, die zwei Millionen ...“
Bassett ergänzte spontan, um jeglicher Diskussion ein schroffes Ende zu bereiten: „... bleiben hier!“ Er beugte sich zu Taheri hinüber. „Ahmad, beweg deinen Arsch!“
Sie drängten nach draußen in die enge, nun im Schatten liegende Gasse. Sie war noch immer menschenleer. Zwei bis auf das Skelett abgemagerte Hunde balgten sich um das Gebilde, das die Hitze aus den Resten einer verendeten Taube geformt hatte. Hinter Türen und Fenstern erschienen schemenhaft Gestalten, um sofort wieder
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