Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
keinen Widerspruch. Er öffnete das lederne Etui und hielt mit gespreizten Fingern das geöffnete, frei durchhängende Gliederband in die Höhe. Er faßte es mit beiden Händen und legte es sich um den Hals. Cannon schien das nicht weiter zu beeindrucken, denn natürlich war das wieder einer der berüchtigten Bassett-Auftritte, mit denen er seine Zweifler zu überzeugen versuchte, besser gesagt, mit denen er sie über den Tisch zu ziehen pflegte. Bassett bemerkte Cannons skeptischen Blick. Offenbar ärgerte ihn dies, denn nun klipste er mit demonstrativer Todesverachtung die Kontaktschließe ein. Das helle, metallische Klicken verdeutlichte, daß das Band verriegelt und die Leiterschleife des Zünders geschlossen war. Nun bedurfte es nur noch der Aktivierung, und der Tod hätte Bassett im Würgegriff. Cannon spürte – ganz leicht nur – erstes Unbehagen in der Magengegend. Was, zum Teufel, hatte der Kerl nun wieder vor?
Bassett kramte in der Reisetasche nach dem Handsender. Auch diesen hielt er zwischen Daumen und Zeigefinger zunächst in die Höhe, einem Zauberkünstler gleich, der das gleich verschwindende Requisit ein letztes Mal seinem gespannten Publikum zeigt. „Das Gerät kennen Sie ja inzwischen. Ich werde es jetzt aktivieren und damit – für Sie hörbar – das Dauersignal auslösen.“ Cannon hörte im gleichen Augenblick den Summton, der Bidram und Taheri tags zuvor in den Wahnsinn trieb. „Würden Sie jetzt bitte den Sender übernehmen?“ Cannon hob abwehrend die Hände. Bassett setzte sein diabolisches Grinsen auf, das ihn bei mentalen Leichtgewichten in der Regel zum verhaßtesten Mann des Tages werden ließ. Nicht so Cannon, der würde der Vorführung gewachsen sein. Zumindest war er zu diesem Zeitpunkt davon überzeugt. Dennoch bemerkte er, daß er unwillkürlich in den Park schielte, um die Fallhöhe abzuschätzen, sollte er sich gezwungen sehen, die Flucht durch das Fenster anzutreten. Bassett war dies natürlich nicht entgangen. Sein Grinsen wurde noch eine Spur teuflischer.
„Sie wollen den Sender nicht übernehmen? Ich brauche ihn auch nicht.“ Kaum hatte er das gesagt, warf er den Sender quer durch den Büroraum in den Papierkorb, genau so zielsicher, wie er all die Bierdosen auf gleichem Wege darin versenkte. Cannon gefror das Blut in den Adern. Höchstens drei Sekunden, dann würde das Inferno über sie hereinbrechen! Er duckte sich tief, in der Hoffnung, dem Explosionsdruck eine kleinere Angriffsfläche zu bieten. Im selben Moment wußte er, daß Bassett ihn wieder einmal vorgeführt hatte, stand dieser doch mit dem breitesten Grinsen, zu dem ihn die Natur befähigte, vor ihm, das summende Hölleninstrument noch immer seinen intakten Hals umschließend. Nichts war explodiert!
„Sehen Sie, John, im Prinzip schützen wir das Leben unserer Gefangenen durch psychologischen Druck. Wir halten sie von unüberlegten Aktionen ab, die sonst ihren sicheren Tod bedeuteten. Psychoschock kann man therapieren, den Exitus nicht!“
Cannon richtete sich auf. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß, so peinlich war ihm die ängstliche Spontanreaktion, so unprofessionell sein Verhalten im Falle einer tatsächlichen Explosion. Sein halb geöffneter Mund war Ausdruck vollständiger Überraschung. Mit allem hatte er gerechnet, doch nicht mit dieser Wendung. „Aber der Baum! Sie haben doch den Baum mit einem solchen Mordwerkzeug zerfetzt!“
Bassett milderte sein Grinsen zu einem umgänglichen Lächeln. „Natürlich! Wir haben auch eine scharfe Version, besonders gekennzeichnet, für Bäume, nicht für Hälse! Die ‚Baumvorführung‘ ist integraler Bestandteil des Konzepts, insofern unerläßlich. Gibt‘s keinen Baum, irgend etwas findet sich immer. Ein Rohr, ein Hydrant, ein Strommast, egal was.“
Bassett unterbrach seinen Vortrag, nahm einen Schluck und beobachtete Cannons Reaktion. Dieser begriff, noch immer ungläubig, daß er am Tage zuvor Zeuge einer makabren Inszenierung gewesen war. Bassett ging hinüber zum Papierkorb. Er kramte kurz darin und zeigte Cannon den Sender. Cannon hatte ihn zwar tagszuvor lange Zeit in der Hand gehalten, doch genau angesehen hatte er ihn nicht. Zu sehr hatte ihn das gestrige Geschehen, aber auch der von dieser höllischen Einrichtung ausgehende Streß in den Bann gezogen. „So – nun zeige ich Ihnen, wie wir das Ding ‚entschärfen‘ und ablegen. Den Summer kann man per Handsender oder am Halsband abstellen. Wählen Sie auf dem Handsender den
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