Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
hätte ich es vergessen. Das Codewort ist ‚Trenchcoat‘. Sollten Sie, aus welchem Grunde auch immer, von Ihrer Eskorte getrennt werden, können Sie sich damit ausweisen. Fragen Sie einfach: ‚Wo kann ich hier einen Trenchcoat kaufen?‘ Nichteingeweihte werden Sie für verrückt erklären; wo Sie sich befinden, können Sie noch nicht einmal eine Mütze kaufen! Die Eingeweihten hingegen werden Ihnen helfen. Wo Sie auch immer in einem Umkreis von zwanzig Kilometern auf Siedlungsstruktur stoßen, befindet sich mindestens eine Vertrauensperson. Diese müssen Sie finden!“ Er unterbrach sich und wendete sich amüsiert an Sander: „Doc, bitte nicht das Codewort aufschreiben!“ Er konnte aus der Entfernung nicht erkennen, was Sander gedankenverloren in dick gekritzelten Lettern zu Papier gebracht hatte: ‚SCHEISSE!!!‘
28. Juli, 10:20 Uhr Ortszeit; Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland, Clifton, Karatschi
Den Generalkonsul hielt es nicht mehr an seinem Schreibtisch. „Mein Gott, Sander! Setzen Sie sich in den nächsten Flieger und warten Sie in Deutschland ab, ob und wie die Pakistaner das untereinander aussortiert bekommen. Sicherlich, das Thar-Projekt ist Ihr Baby, aber wollen Sie dafür Kopf und Kragen riskieren? Sie haben Familie, Mann!“ Sie kannten sich schon etliche Jahre und schätzten einander, darum waren offene Worte zwischen Ihnen keine Seltenheit. Dr. Steffens schüttelte den Kopf. „Wahnsinn! Aber wie ich Sie kenne, machen Sie‘s! Sie machen es doch?“
„Ich habe zugesagt.“
Dr. Steffens sah ihn unter anhaltendem, kaum merklichem Nicken an. „Im Prinzip ist es angebracht, nicht vor jedem sich abzeichnenden Problem gleich in die Knie zu gehen. Ich wünschte mir häufiger solche Charaktere. Aber hier ist eine Qualität erreicht, die Ihre Aktion zum Vabanquespiel geraten läßt! Der Öl-Mafia nutzen Sie nur tot! Ist Ihnen das überhaupt bewußt?“
Sander machte eine Geste der Hilflosigkeit. „Ich kann jetzt nicht zurück, die rechnen mit mir. Außerdem bin ich nicht allein, es kommen noch zwei Leute aus Deutschland, die in Quetta mit von der Partie sind.“
Der Generalkonsul sah ihn erschrocken an. „Auch das noch! Da bekommen wir ja die Kollateralrisiken gleich frei Haus geliefert!“ Dr. Steffens hielt inne und legte die Stirn in Falten. „Kennen die Herren ihr Risiko?“
„Ich kannte es gestern selbst noch nicht.“
„Na großartig!“ Die Gestik des Generalkonsuls sprach Bände. „Sollte die Sache aus dem Ruder laufen, können wir Ihnen, fürchte ich, nur wenig helfen. Natürlich tauschen wir uns mit den Kollegen des US-Konsulats aus, aber seitdem sich der BND mit Untersuchungsausschüssen herumschlagen muß, ist der Informationstransfer problematisch geworden. Außerdem sind die Amerikaner ja nicht gerade kooperativ in der Thar. Unsere Philosophien sind nicht zuletzt auch dort zu unterschiedlich. Der deutsche Gutmensch sieht in der gleichmäßigen Verteilung des Wohlstandes den Quell des Friedens und allgemeiner Glückseligkeit. Die Amis sind da pragmatischer! Sie sagen: Keine Macht der Welt kann die gleichmäßige Verteilung des Wohlstands erreichen, also setze Schwerpunkte! Und schon ist es aus mit der mit der weltumspannenden Glückseligkeit! Die Gierigen setzen die Schwerpunkte mit der Keule!“
Der Generalkonsul kam sichtlich in Fahrt. Er nahm einen hastigen Schluck Kaffee, dann setzte er, Sander fest im Blick, den gestenreichen Vortrag fort: „Das riesige Energievorkommen in der Thar bietet Grund genug, daß auch hier in nicht allzu ferner Zeit die Keulen geschwungen werden! Die Thar liegt im Fokus sich überschneidender Interessen, und immer geht es um die Sicherung der rarer werdenden Energieressourcen. Wir stehen hier erst am Anfang einer Entwicklung, die die Welt verändern wird. Es geht nicht um Religion, um Weltanschauung, es geht um Energie, demnächst auch um Wasser! Die Thar degeneriert zum Spielball eines Interessenkonflikts, in dem die Amerikaner – eher ungeschickt – die Fäden in der Hand zu behalten versuchen. Und inmitten dieses Schlamassels sitzt der Dr. Sander, begeisterter Ingenieur, der nichts als sein technisches Konzept sieht. Allein der Nachweis der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit ist für ihn das Maß der Dinge. Sie ignorieren, daß Ihr Tun zwar der einen Seite Wohlstand bringen mag, gleichzeitig aber der anderen die Pfründe nimmt. In welche Gefahr Sie sich damit begeben, scheinen Sie zu verdrängen. Um das Maß
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