Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
panischen Bestandsaufnahme, die allenfalls Sekundenbruchteile währte, bemerkte er, daß der Bursche nunmehr seine linke Hand einsetzte. Sander spürte den Federdraht in seinem Genick und die hektischen Bemühungen des Angreifers, eines dieser Hölzer, deren Bedeutung ihm nun schlagartig klar wurde, unter seinem Hals hindurch zu pressen. Der Kerl würde ihn strangulieren, sollte es ihm gelingen, die Schlinge um seinen Hals zu legen! Sander realisierte, daß sein Leben besiegelt wäre, gelänge es ihm nicht, seine Arme zwischen sich und den Angreifer zu bringen. Er spürte, daß ihm nur noch wenige Augenblicke blieben, bevor er das Bewußtsein verlöre. Er versuchte, seine Position trotz der Umklammerung zu ändern, den Körper des Angreifers in die Reichweite seiner Knie und Füße zu bringen. Vergeblich – die Umklammerung war derart kraftschlüssig, daß sich der Oberkörper des Gegners zwangsläufig mit ihm drehte, sobald er versuchte, den Winkel zwischen ihren Körpern zu verringern. Anhaltender Hustenreiz, gepaart mit quälender Atemnot und jäh unterbundener Sauerstoffzufuhr, sowie die Unfähigkeit zur wirkungsvollen Abwehr lösten panisches Entsetzen aus: Sander spürte, er hatte nur noch eine winzige Chance, und dies nur, wenn er sie innerhalb der nächsten Sekunden nutzte.
Er zog mit schier unmenschlicher Kraftanstrengung seine linke Hand unter seinem Oberkörper hervor, tastete mit dieser nach dem Gesicht des Gegners. Dieser erkannte bei der ersten Berührung Sanders Absicht, versuchte, es in der Achselhöhle zu verbergen. Sander, der Ohnmacht nahe, mobilisierte im Todeskampf die letzten verfügbaren Kräfte. Er stemmte seinen Oberkörper in die Höhe, brachte hierdurch den Angreifer soweit in Seitenlage, daß er mit der Linken dessen Stirn ertasten konnte. So sehr sich der Kerl auch mühte, sein Gesicht außerhalb Sanders Reichweite zu bringen, es sollte ihm nicht gelingen. Sander wußte, daß er nur diese eine Chance hatte; dieses Bewußtsein löste in ihm allerletzte Reserven aus. Er ertastete mit den Fingern erst eine Augenhöhle, dann die Nase. Er drückte den Daumen mit brutaler Gewalt in die Augenhöhle, Zeige- und Mittelfinger gruben sich tief in die Nasenlöcher des Gegners, dann schloß sich seine Linke zur Faust, soweit dies die darin eingeschlossene Gesichtspartie zuließ. Der Bursche stöhnte auf, drückte seinen Oberkörper nun ebenfalls in die Höhe, versuchte, durch wildes Hin- und Herwerfen des Kopfes Sanders eisernem Griff zu entkommen, schrie vor Schmerz, infernalisch, immer wieder, trat um sich, doch Sanders Griff lockerte sich nicht.
Der Bursche verstummte plötzlich. Sander, der Besinnungslosigkeit nahe, vernahm gedämpftes Stöhnen, schwächer werdendes Röcheln. Der Schmerz des Angreifers mußte fürchterlich sein! Dessen zuckende Körperwindungen wurden seltener, zunehmend kraftloser. Nur die Armbeuge hielt ihren unvorstellbaren Druck aufrecht. Sander stemmte sich mit aller Macht dagegen. ‚Atme!‘ Doch er atmete nichts als Blut und Staub, immer wieder diesen verfluchten Staub. Würgender Husten raubte ihm die verbliebene Kraft. ‚Nicht aufgeben! Drück zu!‘ Sander spürte, wie sich seine Finger tiefer in das Gesicht des Gegners gruben. Er hörte das klagende Stöhnen, weit entfernt, als käme es aus einer anderen Welt.
Es war ein verbissener, nunmehr lautlos geführter Kampf. Jeder wußte, nur der würde siegen, der den stärkeren Willen hatte, der die größeren Reserven an Kraft und Psyche mobilisieren konnte. Sander war eindeutig im Nachteil, da die Umklammerung des Gegners ihn seiner Lebensfunktionen zu berauben drohte. Zwar hatte er seinem Peiniger fürchterliche Schmerzen zugefügt, ihm die Nase zerfetzt, vermutlich das Auge zerquetscht, aber er hatte nicht vermocht, dessen lebensbedrohende Umklammerung zu lockern. Zudem spürte er, daß der Draht der Würgeschlinge tief in seinen Nacken schnitt. Irgendwie war es dem Kerl gelungen, einen der Holzgriffe unter ihm hindurch zu ziehen, als er den Gegenangriff führte.
Sander nahm das Umfeld nur noch unwirklich war. Die Farben verloren sich in einem kontrastarmen Grau in Grau. Ihm blieb kaum noch Zeit, diesen Kampf für sich entscheiden zu können. Würde er nicht seine Halsschlagader von diesem mörderischen Druck innerhalb weniger Augenblicke befreien, wäre es um ihn endgültig geschehen. Er war sich seiner Situation vollkommen bewußt, doch nahm er sie beinahe gleichgültig zur Kenntnis, als unabwendbar,
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