Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
schicksalhaft hatte sie längst ihre Bedrohlichkeit verloren. Er sah sich – vollkommen entspannt – über der Szenerie schweben. Aus vielleicht zwei, drei Metern Höhe schaute er auf sich und seinen Kontrahenten hinab, wie sie da Körper an Körper im Staub lagen, er Richtung Osten auf dem Bauch liegend, der Gegner, halb auf dem Rücken, Richtung Westen gestreckt, eine groteske Kampfsituation. Jemand fragte ihn, wer denn nun der Gewinner sein solle. Er hörte sich sagen, dies sei nicht mehr wichtig.
Da war es wieder, dieses Stöhnen! Sander kehrte für einen Moment in die Wirklichkeit zurück, um im gleichen Augenblick den Angriff seines Gegners zu registrieren, entrückt zunächst, als ginge ihn dies nichts an, doch plötzlich konfrontiert mit der brutalen Realität. Der Bursche hatte die Beine angezogen, sich trotz des Gewichts des nunmehr halb auf ihm liegenden Deutschen in eine Brücke gestemmt, aus der er sich umgehend wieder zu Boden fallen ließ. Sander spürte, daß der Druck auf die Halsschlagader urplötzlich beendet war. Er empfand den Schmerz, mit dem das Blut sich hämmernd den Weg in den Schädel bahnte. Der Bursche hatte wahrhaftig die Umklammerung gelöst!
Bevor Sander aus dieser Situation Nutzen ziehen konnte, erkannte er, daß er erneut allerhöchster Gefahr ausgesetzt war. Es war dem Halunken gelungen, durch sein Manöver die Griffe der Würgeschlinge in beide Hände zu bekommen. Nun versuchte er mit aller Macht, sich über den Deutschen zu drehen. Sander erschrak zu Tode, war einen Moment wie gelähmt, als er den unbändigen Willen des Gegners spürte, trotz der unsäglichen Schmerzen, die jede seiner Kopfbewegungen auslösen mußte, einen derartig entschlossenen Angriff zu führen. Sander konnte zur Abwehr den Druck seiner Linken nicht mehr steigern, auch keinen zusätzlichen Zug ausüben, da einem solchen Manöver aufgrund ihrer abstrusen Kampfstellung anatomische Grenzen gesetzt waren. Während er den zerstörerischen Griff unter Aufbietung aller Kräfte aufrecht erhielt, tastete seine Rechte nach dem Hals des Killers. Der versuchte erneut, sich durch Wegdrehen des Kopfes dem Angriff zu entziehen, doch der Schmerz setzte dem Bemühen ein abruptes Ende. Sander ergriff den Hals in Höhe des Kehlkopfes, dann umschlossen Daumen, Zeige- und Mittelfinger den ausgeprägten Adamsapfel, gruben sich tief in die Verzweigung von Luft- und Speiseröhre. Gedämpftes Knacken verriet den zerquetschten Knorpel, ein ersticktes Röcheln noch, einem Seufzer gleich, dann ging ein Zittern durch den Körper des Gegners. Der einschneidende Druck des Federdrahtes ließ nach, Sander konnte – erstmals in diesem teuflischen Ringen – den Kopf heben. Sollte er den Kampf tatsächlich lebend überstanden haben? Er rang nach Luft, begann erneut zu husten. Es war ein quälender, nicht enden wollender Husten.
Sander war zu erschöpft, sich zu erheben. Er hatte den Kopf neben den seines Widersachers zu Boden sinken lassen, dies, ohne seine Griffe zu lockern. Es war ein bizarres Bild – zwei in einen gnadenlosen Kampf um Leben und Tod Verstrickte lagen vollkommen entkräftet ineinander verschlungen am Boden, ein jeder unfähig, den letzten entscheidenden Stoß zu führen. Sander wußte nicht, wie lange sie dort gelegen hatten, als seine Sinne sich mühsam zu ordnen begannen. Wenn auch sein Gegner sich nicht rührte, sein rasselnder Atem verriet, daß er lebte. Sander hatte noch immer die Drahtschlinge im Genick, nahezu drucklos zwar, doch noch immer Schmerz und Schauder auslösend. Schon die geringste Bewegung bereitete höllische Qualen, so tief hatte sie sich in die Nackenhaut geschnitten. Gegen den Schmerz ankämpfend richtete Sander seinen Oberkörper ein wenig auf. Er blickte hinüber zum Gesicht des Gegners, erschrak, als er erkannte, wie tief sich sein Daumen in die Augenhöhle gegraben hatte. Die eingerissene Nase blieb unter seinem Handrücken verborgen, doch ließ das blutverschmierte Gesicht Böses erahnen. Er wendete sich ab, löste den Griff seiner Linken, um sein Gewicht verlagern und die Würgeschlinge abstreifen zu können. Er war frei!
Nun löste er auch den Griff der rechten Hand. Der Bursche stöhnte auf, tastete, noch immer einen Griff der Würgeschlinge in der Hand haltend, nach seinem Kehlkopf. Sander lehnte sich zurück, um außer Reichweite des fanatischen Killers zu gelangen. Er fühlte sich zu schwach, sich aus dieser Position erheben zu können, kroch ein Stück zurück, immer wieder
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