Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
zum Halse. Er würde alle Kraft dieser Welt benötigen, diese lebensentscheidende Aktion unbeschadet zu überstehen! Wie stark war noch sein Gegner? Konnte dieser dagegen halten, würde der Zug ihn zermalmen. Ihm wurde übel.
Polternd näherten sich die nächsten Drehgestelle. Übermächtige Angst nahm ihm den Atem, wieder fühlte er aufkommenden Brechreiz. Panik und Vernunft, Furcht und Wille kämpften in einem verwirrenden Hin und Her innerhalb weniger Sekundenbruchteile um die Vorherrschaft. Er selbst, einem desinteressierten Beobachter gleich, schien in diesem Kampf keinerlei Rolle zu spielen. Dieses Gefühl an der Grenze zur Ewigkeit kannte er doch schon! Er fühlte sich elend. Doch mit einem Mal wußte er, er würde es wagen. Ohne einen weiteren Gedanken an die drohende Todesgefahr zu verschwenden, rollte er sich mit einer letzten verzweifelten Kraftanstrengung über die Schiene. In Rückenlage fand sein angewinkelter rechter Fuß Halt im Zwickel zwischen Schienenfuß und Schwelle. Trotz der infernalischen Schmerzen in der linken Fessel stemmte er mit letzter Kraft den rechten Fuß gegen die Schwelle, Zentimeter um Zentimeter glitt sein linkes Bein über den Schienenkopf, gefolgt von den vor Anstrengung zitternden Fäusten, die die beiden Holzgriffe noch immer umklammert hielten. Er konnte seinen Gegner nicht sehen, hörte jedoch den furchterregenden Schrei, vergleichbar mit dem eines Hammerwerfers, der das Letzte aus sich herausholt, seine Weite zu verbessern. Der Killer aktivierte seine allerletzte Kraftreserve! Er oder der Deutsche – einer von ihnen würde in wenigen Sekunden diese Welt verlassen!
Sander hörte von hinten das Poltern des nahenden Drehgestells. Er preßte den rechten Absatz nun gegen den näher gelegenen Gleisschuh und begann von neuem, sich mit aller Kraft von der Schwelle fort zu stemmen. Nur noch wenige Zentimeter, dann wäre sein Bein diesseits des Schienenkopfes! Ein letztes Mal diese Tortur, dieser Höllenschmerz, dann wäre es geschafft! Nun war es Sander, der gegen das stählerne Gepolter des Zuges anschrie. Urplötzlich ließ der Widerstand auf der anderen Seite der Schiene nach. Sander öffnete die vor Anstrengung geschlossenen Augen. Er sah den Fremden über die Schiene starren, den linken Arm bereits zur Hälfte darüber hinweg gezogen, die um den Griff geschlossene rechte Faust gegen den Schienenkopf gestemmt. Warum ließ der Wahnsinnige nicht die Griffe los? Sander grauste vor dem, was unweigerlich auf sie zukam, sollte der Fremde nicht im letzten Augenblick zur Vernunft kommen.
Das Poltern und Mahlen des tödlichen Räderwerks, nur noch wenige Meter entfernt, kam rasch näher. Der Fremde löste den Blick seines unversehrten Auges von Sander, sah in Richtung des auf ihn zukommenden Drehgestells. Er hatte erkannt, daß er der Kraftanstrengung Sanders zu diesem Zeitpunkt nichts entgegenzusetzen hatte. Dennoch, er würde ihn nicht entkommen lassen! Er mußte ebenfalls die Schiene überqueren, dann ginge der Kampf weiter. Furchtlos, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern, setzte er sein Vorhaben um. Mit unerwarteter Gewandtheit nahm er das Hindernis, ohne die Griffe aus den Fäusten zu verlieren. Sander war entsetzt angesichts dieser Höchstleistung, signalisierte sie doch den ungebrochenen Kampfeswillen seines Gegners. Er hatte darauf gehofft, daß der Fremde aufgäbe, sich von der Schiene zurückzöge und der Zug die Stahlschlinge durchtrennen würde. Als sich der Fremde in einer raschen Seitwärtsrolle über die Schiene wälzte, ergriff den Deutschen Todesangst. Panisch reagierte er im Reflex. Sein linker Fuß war einen Moment frei gekommen, da sein Gegner sich auf ihn zu bewegt hatte. Instinktiv erkannte Sander: Das war die Chance! Nur diese eine hatte er!
Sander trat zu, einmal, zweimal traf er den Fremden mitten in das zerstörte Gesicht. Dieser schien hämisch zu grinsen, als die gerissene Oberlippe seine Zähne entblößte. Wieder trat Sander zu, nochmals und nochmals, immer wieder. Er bemerkte, wie der Oberkörper des Fremden unter der Wucht der Tritte zur Seite wich. Mit letzter verzweifelter Kraftanstrengung drückte Sander den Oberkörper des Gegners bis an den Schienenkopf, dann dröhnte das Drehgestell über ihn hinweg. Sander schrie sich die Seele aus dem Leib, als er eine letzte verzweifelte Anstrengung unternahm, den Angriff dieses Irrsinnigen abzuwehren. Der Lärm übertönte alles. Sander preßte sich um Atem ringend an den Boden. Dicht über ihm
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