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Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)

Titel: Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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nach seinem Bein zu greifen, wie er nach ihm trat, mitten in dieses entsetzlich entstellte Gesicht, immer und immer wieder. War da nicht noch sein Schrei? So sehr er sein Hirn auch forderte, an dieser Stelle brachen die Bilder ab. Schauder durchfuhr ihn, als eine grausige Vorahnung die verblassende Erinnerung verdrängte.
    Auf die Ellbogen gestützt, richtete er sich mühsam auf. Die Sichel des zunehmenden Mondes spendete spärliches Licht. Links voraus lag im Dunkel ein Knäuel, dessen Konturen nur schwer auszumachen waren, doch Sander wußte im selben Augenblick, daß dies der Fremde war. Lebte er noch? Ging noch immer Gefahr von ihm aus? Er erkannte bald, daß er sich mit diesen Fragen selbst betrog, denn die eben noch vage Vorahnung wich Frösteln auslösender Gewißheit, daß sein Gegner den Kampf nicht überlebt haben konnte. Die Position des leblosen Körpers beiderseits des Schienenkopfes ließ das Grausigste befürchten.
    Sander erhob sich ächzend, der Zustand seiner linken Ferse verhinderte festes Auftreten; es bedurfte erheblicher Überwindung, den ersten Schritt zu tun. Nur widerwillig näherte er sich dem im Gleisbett liegenden Körper. In respektvollem Abstand blieb er stehen. Was er erkannte, ließ ihn erschaudern: Sein erbitterter Gegner, eben noch blutrünstiges Monstrum, nun nichts als ein seelenloser, gräßlich zugerichteter, in die milde Sommernacht üble Dünste verströmender Kadaver, lag beiderseits der Schiene. Der Schienenkopf glänzte matt durch das, was vor kurzem noch eine durchtrainierte Kampfmaschine war. Das entstellte Gesicht starrte ihn, diesseits der Schiene auf der Seite liegend, mit dem verbliebenen Auge an. Der schwache Mondschein brach sich in ihm, verlieh ihm unwirkliches Leben. Dieses verfluchte Auge starrte ihn unentwegt an, schien noch immer voller Haß zu glühen! Ganz und gar bösartig, abgrundtief hinterhältig war sein Blick. Sander kämpfte einen vergeblichen Kampf mit der aufkommenden Übelkeit. Er erbrach sich. Erschöpft stand er inmitten des Gleises, die Hände auf die Knie gestützt rang er nach Atem. Obwohl von immer wieder aufkommendem Brechreiz geschüttelt, vermochte er nicht den Blick von dem grausigen Bündel menschlicher Überreste und Kleidungsfragmente zu nehmen. Er dankte der Gnade der Dunkelheit.
    Er wußte nicht, wie lange er so dagestanden haben mochte, bis zaghaft aufkommende Ordnung sich über das irrwitzige Chaos seiner Gedanken legte. Er erkannte, daß es für ihn hier nichts mehr zu tun gab, daß er rasch diesen Ort verlassen mußte, wollte er sich nicht weiterer Gefahr aussetzen. Er empfand keinen Triumph, auch kein Bedauern, schon gar kein Mitleid mit dem Toten. Unendliche Leere, Entsetzen, Ekel und Gleichgültigkeit lösten einander ab. Er hatte mit nackten Händen einen Menschen umgebracht! Es schien ihn nicht zu rühren. Nicht der Tod des Gegners, diese unerklärliche Gleichgültigkeit machte ihm Angst. Ihn fröstelte.
    Er wandte sich ab und kroch, vor Schmerz aufstöhnend, rücklings den Bahndamm hinunter. Er mußte sich eine Weile setzen, um den linken Fuß zu entlasten; zu sehr schmerzte die Ferse. Die Anstrengung versetzte das Innere seines Schädels erneut in dröhnende Schwingungen. Flüchtige Gedanken irrlichterten noch immer um den zermalmten Körper des Fremden. Selbst hier unten roch er es, dieses Schrecken und Ekel auslösende Gemisch aus Blut, Eingeweiden und Exkrementen. Wie würden die Amerikaner reagieren, sollte es sich bei dem Toten tatsächlich um einen GI handeln? Würden sie ihm, der sich illegal auf ihrem militärisch gesicherten Gelände aufhielt, die abstruse Geschichte glauben? Sicherlich nicht! Sander erschrak angesichts der Aussichtslosigkeit seiner Situation: Gejagt von Islamisten und verbrecherischen Syndikaten, untergetaucht auf einem US-Luftwaffenstützpunkt, abgeschnitten von Familie, Freunden, schützenden Institutionen, verdammt zu konspirativem Handeln – nun auch noch gehetzt von US-Geheimdiensten!
    Sein Blick glitt nach Westen, wo Bahndamm und Weg sich im Dunkel der Nacht verloren. Er mußte fort von hier! Möglicherweise wurde der GI schon vermißt! Sander quälte sich in die Höhe, machte sich auf den Weg, erst vorsichtigen, die Ferse schonenden Schrittes, dann behutsam schneller werdend. Nach etlichen Metern verstetigte sich der Schmerz auf ein gerade noch erträgliches Maß. Sander verfiel in zaghaften Trab, immer wieder jäh unterbrochen, um dem schmerzenden Schädel und der quälenden Ferse einen

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