Das Salz im See 1: Ein teuflischer Plan (German Edition)
hämmerte das Drehgestell seinen mörderischen Takt, Blut pochte in den Schläfen. Ohnmacht und Panik mischten sich zu einem teuflischen Cocktail. Irgendeine Macht schien ihn zwingen zu wollen, sich aufzurichten. ‚Nicht die Nerven verlieren! Bleib liegen!‘ Schon bebte das Gleisbett unter dem nachfolgenden Drehgestell.
Sander wartete, bis auch dieses über ihn hinweggerollt war. Sein Puls raste. Er wußte, lange würde er diesem Kampf nicht mehr gewachsen sein. Nun quälte ihn auch wieder der infernalische Schmerz des Einschnitts, den die Stahlschlinge in seiner Ferse hinterlassen hatte. Er richtete seinen Oberkörper mühsam ein wenig auf, um den nächsten Angriff des Fremden abwehren zu können. Bevor er sich ein Bild machen konnte, erhielt er einen fürchterlichen Schlag gegen den Hinterkopf. Er empfand keinen Schmerz, grenzenloses Erstaunen war sein letzter Eindruck. Dann wurde es dunkel um ihn. Er spürte nicht mehr, wie sein Oberkörper nach hinten kippte, er mit dem Schädel auf die Schwelle schlug.
21. August, 21:30 Uhr Ortszeit; Davos, Schweiz
Kustow nippte an seinem Fendant, dessen Kühle in angenehmem Kontrast zu diesem milden Sommerabend stand. Die Hotelterrasse war bis auf den letzten Platz besetzt. Kellner huschten zielstrebig zwischen den Tischen hin und her, randvolle Tabletts mit erstaunlicher Sicherheit über ihren Köpfen balancierend. Es wurde geschwätzt, gelacht, geflirtet, und es wurde viel getrunken an diesem Abend. Die unbeschwerte, geradezu fröhliche Atmosphäre wirkte ansteckend. Nur an Kustows Tisch wollte sich Frohsinn nicht so recht einstellen.
„Wir haben ein Problem, Exzellenz.“
Der Kopf des Botschafters, dessen Aufmerksamkeit sich auf ein Begrüßungszeremoniell an einem der Nachbartische konzentrierte, fuhr herum. „Ein Problem? Und das wäre?“
Kustow hob sein Glas. Sie tranken sich zu, Kustow mit Fendant, der Botschafter mit Stillem Wasser. So konnte kein Frohsinn aufkommen! Kustow tupfte den Mund mit der Serviette. „Es geht um die Abriegelung des Gebietes um die Produktionsanlage in Belutschistan. Das Gebiet wurde weiträumig zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Das war erforderlich, nicht nur aus Geheimhaltungszwecken, sondern auch aufgrund der Zerstörungen der im Berg gelegenen Infrastruktur. Wir wissen nicht, ob, wann und in welchem Ausmaß die Umgebung möglicherweise radioaktiv belastet wird.“
Kustow legte eine Pause ein, um dem Botschafter Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der hatte das Signal verstanden. „Ich hörte davon. Die Sache ist laut mir vorliegenden Informationen unter Kontrolle. Wo ist das Problem?“
Kustow drehte den Stiel seines Glases zwischen Daumen und Zeigefinger. Es schien, als suche er den richtigen Einstieg in sein Anliegen. Der Botschafter registrierte dies mit Erstaunen, kannte er doch Kustow schon etliche Jahre. Ein Problem, seine Anliegen zu vermitteln, hatte er bei ihm noch nie beobachten können. Endlich blickte der Russe von seinem Glas auf. „Innerhalb des Sperrgebietes befand sich eine Moschee. Meine Stiftung hat vor Jahren ihre Errichtung ermöglicht. Das Minarett wurde bei dem Erdbeben zerstört. Es hat sich nun eine Stiftung gebildet, die sich den Wiederaufbau der Moschee zum Ziel gesetzt hat. Diese Stiftung wird von uns nicht kontrolliert. Wir müssen das verhindern!“
Der Botschafter setzte abrupt das Glas ab. Kustow spürte, daß ihr Gespräch die kritische Phase erreicht hatte. Der Botschafter stand zwar hinter ihrer Aktion, aber er war Mohammedaner mit Haut und Haaren. Eine unbedachte Äußerung, und das Vorhaben wäre gefährdet. Der Botschafter fixierte den Russen. „Verhindern, sagen Sie? Nie und nimmer wird ein gläubiger Muslim den Wiederaufbau einer Moschee verhindern! Auf derartig abstruse Ideen könnt nur ihr Christen kommen! Ihr verkauft eure Kirchen, macht Restaurants, Supermärkte aus ihnen. Das könnt ihr ja machen, ganz, wie ihr wollt. Wir bauen Moscheen, täglich kommen neue hinzu, zur Ehre Gottes. Wir schätzen uns glücklich, daß es Gläubige gibt, die die Initiative ergreifen, zum Beispiel Stiftungen gründen, um Moscheen zu pflegen, instand zu setzen oder neue zu errichten. Nie würde ein gläubiger Moslem solches Engagement behindern!“
Für Kustow kam diese Zurückweisung keineswegs unerwartet. Es galt jetzt, dem Botschafter die Risiken zu verdeutlichen, ohne seine religiösen Gefühle zu verletzen. „Exzellenz, nie würde ich Sie in dieser Angelegenheit angesprochen
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